Osteuropaworkshops Juni 2014: "Wann, wenn nicht jetzt?"

Dialog und Austausch fördern das Wissen übereinander und das Verständnis füreinander. In der gegenwärtigen Situation braucht es genau das!

Die TeilnehmerInnen des inzwischen 7. Osteuropaworkshops der taz Panter Stiftung auf der Dachterasse der taz. Bild: Anja Weber

Noch vor wenigen Monaten hätte sich niemand vorstellen können, dass die Ukraine mit der Krim quasi über Nacht einen Landesteil an Russland verliert und die östlichen Regionen in einem Bürgerkrieg zu versinken drohen. Einer der Gründe für diese rasante Entwicklung ist auch ein stetig zunehmender Haß und eine zunehmende Intoleranz - sowohl zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der Ukraine als auch zwischen Ukrainern und Russen.

Die taz Panter Stiftung hat im vergangenen Jahr sechs Seminare mit jungen JournalistInnen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion durchgeführt. Eines der Ziele hierbei war, mit den TeilnehmerInnen einen Dialog und einen Austausch zu treten, um so das Wissen übereinander und das Verständnis füreinander zu fördern. Das ist zweifellos gelungen! In der gegenwärtigen Situation braucht es genau das! Wann, wenn nicht jetzt, sagt die Organisatorin der Workshops und taz Auslandsressort-Leiterin Barbara Oertel.

Ein Workshop für 15 TeilnehmerInnen für 8 Tage in Berlin kostet ungefähr 20 000 Euro. Das ist viel Geld. Darin enthalten sind Fahrtkosten, Visakosten, Unterbringung und Verpflegung und ein vielfältiges Seminarangebot. Für jede TeilnehmerIn sind das etwa 1.300 Euro. Betreut wird der Workshop von der taz Ressortleiterin Barbara Oertel. Der Workshop wird in russischer Sprache durchgeführt.

Dank Ihrer Hilfe haben wir im Mai 2014 über 15.000 Euro erhalten. Ganz herzlichen Dank an alle SpenderInnen! Zusätzlich haben wir Zuwendungen der ZEIT-Stiftung und der Marion Dönhoff Stiftung erhalten. Damit konnte ein Workshop sofort stattfinden. Vom 28.06. bis 06.07.2014 haben wir 15 JournalistInnen aus Osteuropa in die taz eingeladen. 

Andrei Stanko hielt seine Eindrücke, die er während des einwöchigen Workshops in Berlin gesammelt hat, auf Facebook fest.

"Ich gewöhne mich sehr schnell an neue Orte. Wenn ich in einer unbekannten Stadt bin, spüre ich in den ersten Tagen noch ein leichtes Unwohlsein. Am dritten Tag aber beginne ich bereits mich in der ungewohnten Umgebung aufzulösen, als ob die Stadt mich restlos aufsaugen würde.

Die fremden Mauern und Plätze erscheinen mir nicht mehr fremd. Wenn ich morgens auf die Straße gehe, fühle ich mich als ein Teil des schäumenden Lebens: mein Puls schlägt im Takt des Herzschlags der neuen Stadt. Ich kenne plötzlich keine Nostalgie mehr und vermisse nur noch Menschen, aber keine Mauern. Genauso leicht wie ich mich an einen neuen Ort gewöhne, verlasse ich ihn auch. Mit einem leichten Gefühl der Traurigkeit und nicht mehr. Aus Berlin aber komme ich mit einem Gefühl zurück, dass ich nicht missen möchte. Es ist ein Gefühl einer leichtsinnigen Freiheit und angenehmen Sicherheit, alles erscheint leicht und unbeschwert.

Ich kann nicht sagen, dass diese Stadt, die aus alten und neuen Gebäuden besteht, besonders schön ist. Leckeres Essen kann man hier lange suchen. Das Wetter ist nicht immer erfreulich. Dafür aber scheint in Berlin immer die Sonne. Und zwar nicht die Sonne, die zwischen Gewitter und Regen manchmal durch die Wolken blinzelt. Nein, die Sonne Berlins ist mitten auf den Straßen: die Menschen strahlen. Alles hier ist ein Vergnügen, ernst, aber ohne zu anstrengend zu werden, sicher und freundlich.

Die dunkelhäutigen Männer auf der Straße? Messer benutzen sie nur, um Fleisch vom Dönerspieß zu schneiden. Polizisten? Das sind Mädchen mit Zöpfen, die unbekümmert miteinander plappern, während ihre Pistolen ihnen sanft auf den Po klatschen. Asis? Ich habe das Gefühl, sie sind alle Kontrolleure in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Während meines einwöchigen Aufenthalts habe ich keine einzige Schlägerei gesehen und keinen Verkehrsunfall. Aus den Autos steigen keine Schlägertrupps in Montur. Betrunkene machen Stress und die Nüchternen lächeln. Ausländern begegnet man hier nicht mit Hass. Alles ist irgendwie erstaunlicherweise bequem und angenehm organisiert. Man sieht, wie angenehm es für die Menschen ist, in diesen Bedingungen zu leben.

Ich bin mir sicher, dass der Rest des Landes sich von der Hauptstadt unterscheidet. Berliner betonen immer wieder unermüdlich, dass Berlin nicht Deutschland sei. Aber diese Stadt ähnelt mehr als alle anderen, in denen ich bislang war, der sonnigen Traumwelt meiner Kindheit - der "Welt des Mittags" aus dem sowjetischen Science-Fiction-Roman der Gebrüder Strugazki. Die leuchtende sozialistische Zukunft eines Weltstaats. Ja, Berlin hat viel zu bieten, für den Verstand und für das Gewissen. Die Menschen dort sind Brüder, mehr als anderswo."

Übersetzt von Ljuba Naminova

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