„Hat – mich – gefreut“

■ „Im Weißen Rößl“ ist eine Operette alter Schule / Im Schmidt's Tivoli wird sie ganz unscheu auch so inszeniert

Um Himmels willen, die Operette lebt! Im Weißen Rößl im Schmidt's Tivoli gibt es seit Sonnabend einen richtigen Schmarren, einen Kaiserschmarren sozusagen. Die Story ist so kurz, wie sie quatsch ist: „I kannett lesen, kannet schreiben . . .“, singt die Kati von der Post. Aber das macht ja nix, denn im „Salzkammergut, da kanmer gut . . . lustig sein“ – auch als Analphabet. Und im Weißen Rößl können Hans und Grete noch echt zueinander finden, was bekanntlich auf der Reeperbahn sonst immer nur eine Nacht lang klappt.

Das Etablissement Zillertal, ach was, das Tivoli liegt die kommenden Wochen in Österreich am Wolfgangsee und steht voll unter Habsburger Flagge. Die Buben wie die Kellner tragen Krachlederne, und die Mädels haben Zöpfe. Im Hotelgarten blühen üppige Rosensträuche vor glühendem Alpenpanorama. Zahlkellner Leopold schmeißt sich an seine Wirtin Josepha ran, Kati poussiert ungeniert mit dem Piccolo, und auch bei der Fabrikantentochter Ottilie wird nach zehn Minuten schon gefensterlt. Am Spielbudenplatz haben die Herren Christian Liffers, Corny Littmann (Regie) und Martin Lingnau (Musik) auf eine Klamotte gesetzt. Im Weißen Rößl ist eine Operette der alten Schule, und diese wird ganz unscheu als solche inszeniert. Alles andere wäre auch Blödsinn. Der Stoff hat Witz und Klasse, die Schlager sind Evergreens.

Darf man sich so sorglos auf Peter-Alexander-Niveau fallen lassen, ohne intelektuellen Schaden zu nehmen? Man darf – unbedingt. Die Professionalität, mit der „der Sigismund so schön ist“ und das Orchester zum Walzer aufspielt, entlastet das verwirrte intellektuelle Gemüt. Die Orchesterbegleitung ist großartig, die Stimmsicherheit der Akteure, insbesondere von Willi Welp, aber auch in A-capella-Formationen, gibt dem Kitsch die Ehre. Dirk Vossberg singt und schwadroniert als Zahlkellner Leopold in echter Theo-Lingen-Manier – da freut sich der Mensch.

Wenn der vom Fernsehen her bekannte Mime Feuerstein als seniler Kaiser Franz Josef um die Ecken stakst und knörzig-desinteressiert seinen Standardsatz abliest: „Es – war – sehr – schön. Es – hat – mich – sehr – gefreut“, dann haben alle, denen die Distanz zum Kitsch wichtig ist, diese noch einmal schriftlich.

Bei der Vorpremiere verfolgte Corny Littmann das Spiel auf der Bühne so angestrengt und unerbittlich wie ein Fußballtrainer seine Mannschaft im Endspiel. Er ersparte es sich allerdings, dazwischen zu springen, rauchte statt dessen fleißig auf seiner Ersatzbank. Ausgerichtet wurde der Abend schließlich von der Rauschmittelindustrie, die Bier und Zigaretten bis zum Umfallen anbot. Was nicht nötig gewesen wäre. Auch nüchtern betrachtet: Die Operette lebt!

Elsa Freese

tgl. 20 Uhr, noch bis 27. August