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Überraschung: Waigel sucht neue Milliarden

■ Finanzminister muß weitere 20 Milliarden Mark aufbringen. Dafür muß er neben T-Aktien-Verkauf und Goldneubewertung noch mehr sparen. Wo, verrät er nicht

Berlin (taz/AFP/dpa/AP) – Das kam überraschend. Finanzminister Theo Waigel (CSU) mußte gestern zugeben, daß die 9,1 Milliarden Steuerausfall nicht die ganze Hiobsbotschaft für dieses Jahr sind: Dazu kommen noch einmal bis zu 20 Milliarden an Mehraufwendungen für Arbeitslose. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos kündigte umgehend einen Nachtragshaushalt für die fehlenden 30 Milliarden an. Damit ist er schneller als der Bundeskanzler. Helmut Kohl sagte gestern im Bundestag, zunächst müsse „sehr sorgfältig“ erwogen werden, wie die Löcher zu stopfen seien, dann erst werde man über einen Nachtragshaushalt entscheiden.

Finanzminister Waigel kündigte an, durch den umstrittenen Verkauf von Telekom-Aktien, durch die Neubewertung der Goldreserven der Bundesbank sowie durch weitere Einsparungen das Haushaltsloch zu füllen. Wo genau gespart werden solle, mochte auch er nicht sagen.

Während Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble (CDU) dieses Jahr die Steuern nicht mehr erhöhen will, zweifelt der grüne Finanzpolitiker Oswald Metzger an Schäubles Aussage. Trotz der angekündigten Maßnahmen würde am Ende eine Lücke von 10 bis 15 Milliarden Mark bleiben, sagte Metzger im taz-Interview; dieser Fehlbetrag könne „sicher nicht ohne eine Steuererhöhung beseitigt werden“. Angesichts der geplanten Senkung des Solidarbeitrages ab 1998 würden weitere acht Milliarden fehlen. In diesem Fall müsse Waigel mehr Kredite aufnehmen, als das Grundgesetz erlaube.

Der Bundesrat lehnte gestern die geplante Senkung des Solidarbeitrages von 7,5 auf 5,5 Prozent ab. Ohne Aussprache stimmte die SPD-Mehrheit gegen den Steuerreformentwurf der Bundesregierung. Die Koalition will aber die Soli-Senkung als Einzelgesetz beschließen. Dazu braucht sie die Zustimmung des Bundesrates nicht. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ingrid Matthäus-Maier, verlangte Waigels Rücktritt. Mit dem Verkauf von Telekom- Aktien löse der Finanzminister an der Börse eine Glaubwürdigkeitskrise und damit Kursverluste aus. Die FDP will offenbar keinen offenen Koalitionsstreit riskieren. Vor der Presse lehnten Fraktionsvorsitzender Solms und Parteichef Gerhardt Steuererhöhungen ab. Doch zur Koalitionsfrage wollen sie es nicht hochspielen. urb

Seiten 2 und 3, Kommentar Seite 10

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