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Polizeistadt Bremerhaven

■ In der Seestadt arbeiten mehr Polizisten deutlich weniger als in Bremen

Neue Polizisten braucht das Land! Das hatten Innensenator Ralf H. Borttscheller (CDU) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) – stets wie aus einem Munde gefordert. Die GdP wollte 100 neue KollegInnen einstellen. Um ein „Signal zum Erhalt der Inneren Sicherheit“zu setzen, wollte Borttscheller trotz leerer Kassen in diesem Jahr immerhin 50 Anwärter in den Polizeidienst übernehmen. Doch das Land hat genug Polizisten. Das geht jedenfalls aus der vertraulichen Vorlage einer Arbeitsgemeinschaft des Senats hervor, die der taz vorliegt.

Mit 482 Polizisten je 100.000 Einwohner sei die Polizeidichte im Land Bremen „erheblich höher als im Durchschnitt der alten Flächenländer“, heißt es in dem 15-seitigen Papier. Das sei auf den Großstadtcharakter Bremens zurückzuführen. In der polizeilichen Personalstatistik für das Land Bremen sind 1995 100.736 Fälle registriert. Das sind fast soviele wie in Frankfurt (130.706), München (113.573) oder Köln (133.375).

Bremerhaven hat nach Meinung der Arbeitsgruppe zuviele Polizisten – und zwar nicht nur im Vergleich zu Bremen, sondern auch im Vergleich zu anderen Kommunen: „Die Vergleichsbetrachtung zeigt, daß Bremerhaven im Vergleich zu den Referenzkommunen einen erheblichen personellen Überbesatz hat: 185 Vollzeitstellen, wenn man die Polizeidichte (Polizisten pro 100.000 Einwohner) und 127 Vollzeitstellen, wenn man die Fallzahlenbelastung pro Polizeibeamten als Maßstab wählt“, heißt es in dem Bericht.

Die vielen Polizisten arbeiten nämlich nicht mehr als ihre KollegInnen in Bremen. Im Gegenteil: „Polizeibebeschäftigte in Bremerhaven bearbeiteten mit „29 Fällen erheblich weniger Fälle als ihre KollegInnen in Bremen“(37 Fälle). „Bei vergleichbarer Fallzahlenbelastung müßte die Personalausstattung Bremerhavens um 126 Vollzeitstellen reduziert werden. Wäre die Polizeidichte der Maßstab, wäre die Personalausstattung um 46 Vollzeitstellen höher“, heißt es weiter.

Doch in Bremerhaven sind nicht nur mehr Polizeimitarbeiter im Einsatz, die Polizei kostet auch noch mehr als in Bremen: „Die Ausgaben pro Polizeibeamten sind in beiden Städten identisch; pro Einwohner gibt Bremerhaven mit 351 Mark gegenüber Bremen hingegen 46 Mark pro Jahr mehr aus.“

Die Einführung der Landespolizei, die nach einem jahrelangen Streit kürzlich beerdigt wurde, hätte für die Stadt Bremerhaven, laut Vorlage, Einsparungen von 5,92 Millionen Mark bedeutet, weil die Landespolizisten zu 100 Prozent aus der Kasse des Bundeslandes bezahlt würde. Für das Land hätte die Landespolizei einen Rationalisierungseffekt von mindestens drei Millionen Mark. Der „Dissens zwischen Senatskanzelei und Magistrat Bremerhaven“mache allerdings alles wieder zunichte, mahnen die Gutachter. „Ein nennenswerter Effizienz- und Rationalisierungsgewinn aufgrund der Einführung der Landespolizei ist nicht zu erkennen“, so das ernüchternde Fazit der Gutachter. Statt der Landespolizei schlagen sie eine andere Lösung vor: „Unabhängig von der Einführung der Landespolizei, wäre bei der Anpassung der Polizeiausstattung Bremerhavens auf stadtbremisches Niveau, ein Effekt von rund 3,6 Millionen Mark bis zu rund zehn Millionen Mark zu erreichen.“Auf die Frage, ob die Bremerhavener Polizei zurückgestutzt werden muß und ob er die Bremerhavener nach Bremen holen will, weiß hat Borttscheller eine einfache Antwort: „Das könnte durchaus passieren.“ kes

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