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Atomlager Morsleben auf der Kippe

Bundesverwaltungsgericht rüffelt Magdeburger Richter und ordnet Sicherheitsüberprüfung nach bundesdeutschem Atomrecht an. Widerruf der DDR-Genehmigung ist möglich  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Die von der DDR ererbte Atommüllkippe Morsleben muß erstmals nach bundesdeutschem Recht auf Sicherheitsmängel überprüft werden. Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hat gestern entschieden, daß auch eine bestandskräftige Genehmigung für ein Atommüllendlager noch vor Gericht angefochten werden kann. Die Klage von vier Anwohnern auf Stillegung des Endlagers Morsleben, die zunächst vom Oberverwaltungsgericht Magdeburg abgelehnt worden war, verwiesen die Berliner Richter zur erneuten Verhandlung nach Magdeburg zurück. Die Kläger hätten ein Recht auf eine inhaltliche Überprüfung der von ihnen geltend gemachten Gefährdungen durch das Endlager, begründete der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts gestern seine Entscheidung.

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hatte im November 1995 in seinem erstinstanzlichen Urteil zuungunsten der vier Morsleben-Kläger die Auffassung vertreten, daß eine einmal erteilte Betriebsgenehmigung für ein atomares Endlager grundsätzlich Bestandskraft habe und auch vor Gericht nicht mehr angefochten werden könne. Damit waren die Magdeburger Richter jener Rechtsauffassung gefolgt, die auch das Bundesamt für Strahlenschutz und die Bundesregierung stets in dem Morsleben-Verfahren vertreten hatten.

Dieser Rechtsauffassung widersprach der Vorsitzende des 11. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, Wilhelm Diefenbach, in seiner gestrigen Urteilsbegründung ausdrücklich. Das Bundesverwaltungsgericht teile diese Meinung der Bundesregierung nicht und halte grundsätzlich den Widerruf der Betriebsgenehmigung des Endlagers Morsleben für möglich. Ob ein Widerruf angemessen sei, müsse die inhaltliche Prüfung der Sicherheit des Endlagers zeigen. In seiner Urteilsbegründung betonte Diefenbach das Recht der vier Privatkläger auf einen fehlerfrei entschiedenen Planfeststellungsbeschluß für Morsleben, der den Maßstäben des bundesdeutschen Atomgesetzes entspricht. Dieses Recht der Kläger bezeichnete Diefenbach sogar als „oberste Prämisse“.

Die nasse und nach Meinung offizieller Gutachter durchaus einsturzgefährdete Atommüllkippe Morsleben liegt an der ehemaligen Zonengrenze bei Helmstedt und wird noch heute auf Grundlage einer durch die DDR erteilten Genehmigung betrieben. Durch den Einigungsvertrag war diese Genehmigung per Gesetz bis zum Jahr 2000 verlängert worden. Das eigentlich versprochene nachträgliche Planfeststellungsverfahren für das Endlager hat das Bundesamt für Strahlenschutz bisher mangels Erfolgsaussicht verschleppt.

Das Bundesumweltministerium will dieses Verfahren inzwischen auf die Stillegung der Atommüllkippe beschränken, dafür aber die Morsleben-Genehmigung noch einmal um fünf Jahre bis zum Jahr 2005 verlängern und in der Zwischenzeit noch kräftig in dem feuchten Salzstock einlagern.

Greenpeace unterstützt die vier Morsleben-Kläger und sprach nach der gestrigen Entscheidung von einem „kleinen Sieg, der die Sicherheitsgefahren des Atommüllendlagers erstmals einer Überprüfung zugänglich macht“. Falls die Berliner Richter in ihrer schriftlichen Urteilsbegründung nun tatsächlich die Sicherheitsvorschriften des bundesdeutschen Atomrechts ohne Abstriche zum Maßstab einer gerichtlichen Überprüfung machten, führe auch für das Oberverwaltungsgericht Magdeburg kein Weg an einer vorzeitigen Stillegung von Morsleben vorbei, sagte gestern ein Greenpeace- Sprecher.

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