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Union mit einer Diktatur wird heute besiegelt

■ Weißrußlands geknebelte Opposition wettert gegen den Vertrag mit Moskau

Berlin (taz) – Wenn heute die Staatschefs von Weißrußland und Rußland, Alexander Lukaschenko und Boris Jelzin, die Charta zum Unionsvertrag vom 2. April unterzeichnen, können sie sich zumindest eins auf ihre noch unterschiedlichen Fahnen schreiben: Der Grundsatz absoluter Geheimhaltung über das Dokument blieb bis zum Schluß gewahrt. Weniger bedeckt verhält sich Lukaschenko, wenn es darum geht, Gegner mundtot zu machen und unabhängige Organisationen auszuhebeln.

Besonders abgesehen hat es der Diktator derzeit auf die Soros-Stiftung in Minsk. Der Stifung, deren Chef Peter Bern seit Mitte März Einreiseverbot hat, flatterte kürzlich nach mehrmaligen unrechtmäßigen Überprüfungen durch Organe der Staatssicherheit eine Zahlungsaufforderung ins Haus. Danach soll Soros wegen Verstoßes gegen Steuergesetze drei Millionen Dollar Strafe zahlen.

Die Stiftung, die im vergangenen Jahr Projekte in Politik, Kultur und Bildung mit rund sechs Millionen Dollar förderte, hat Widerspruch eingelegt und wartet jetzt erst einmal ab. Gearbeitet werde ohnehin schon lange nicht mehr. „Unsere Konten sind leer. Dort Geld zu haben, wäre jetzt zu gefählich. Der Staat hätte jederzeit Zugriff darauf“, sagt Veronika Begun. Die Sprecherin der Stiftung rechnet mit noch Schlimmerem: „Wir fürchten, daß sie unser Büro bald schließen.“

Die Soros-Stiftung ist nicht die einzige Organisation, deren Tätigkeit der Boden entzogen werden soll. Auch die „Stiftung der Kinder Tschernobyls“ und das Zentrum für strategische Initiativen Ost- West bekamen ungebetenen Besuch. Beide wurden mit Strafen von Tausenden Dollar belegt.

Auch den Mitarbeitern in der Verwaltung scheint Lukaschenko nicht zu trauen. Vor kurzem kündigte der Informationsminister an, daß Behördentelefone, über die staatsgefährdende Informationen verbreitet werden, abgeschaltet würden. Für Anatoli Lebedko, Abgeordneter des letzten legitimen Parlaments, ist das nur die Bestätigung dessen, was ohnehin schon alle wissen: „Alle Telefone werden ständig abgehört.“

Der Oppositionspolitiker kann sich berechtigte Hoffnungen auf einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde machen. Wegen Teilnahme an einer Kundgebung wurde Lebedko von einem Minsker Gericht unlängst zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. In der vergangenen Woche stand er erneut vor Gericht, weil er gegen die unrechtmäßige Behandlung durch die Miliz Beschwerde eingelegt hatte. Die Prozeßlawine, mit der Oppositionelle überzogen werden, hat im Lukaschenko-Staat Methode: Auch der Vorsitzende des letzten Parlaments, Semjom Scharetzki, wurde wegen der Teilnahme an einer Demonstration zu einer Geldstrafe verurteilt.

Noch sind die Gegner Lukaschenkos nicht verstummt. In der vergangenen Woche demonstrierten in Minsk rund 4.000 Menschen gegen den Unionsvertrag mit Rußland. Und der nationale Kongreß der vereinigten demokratischen Kräfte, ein Sammelbecken der Opposition, veröffentlichte eine Erklärung. Darin heißt es: „Die geplante weißrussich-russische Union ist nichts anderes als der Versuch von Lukaschenko, sein bankrottes Regime zu retten und sich aus der Verantwortung für die von ihm begangenen Gesetzesverstöße zu stehlen.“ Barbara Oertel

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