: Nur Radeberger für Westkantinen?
■ Bündnisgrüne begrüßen Ostinitiative grundsätzlich, wollen aber vor allem kleinen und mittleren Unternehmen helfen
Berlin (taz) – „Eine Leichtvariante für den Osten“ nennt Werner Schulz die gestern in Berlin verkündete Initiative „Bündnis für Arbeit Ost“. Schulz ist Ossi und parlamentarischer Geschäftsführer der Bündnisgrünen im Bundestag. Er begrüßt die Initiative von Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften sogar, weil sie „endlich einen Geburtsfehler der Finanzhilfen für die neuen Länder“ beseitige: die Förderung hauptsächlich durch Steuerabschreibungen statt vermehrter Hilfe bei Forschung und modernerer Produktion.
Ansonsten sei es eine typische Kohl-Initiative, ein unverbindlicher Appell an den guten Willen der Beteiligten. Bei einer Einkaufsinitiative Ost bleibe nur die Hoffnung, „daß mehr fließt als nur Radeberger Pils in westlichen Betriebskantinen“.
Die in Aussicht gestellten 5,7 Milliarden Mark pro Jahr sind nach Ansicht der Bündnisgrünen – wie auch der ostdeutschen Landesregierungen – zu gering. Bisher werden 6,8 Milliarden Mark an Subventionen gezahlt. „Offenbar soll bei der Umstrukturierung der Ostförderung auch eine Milliarde Mark für den Bundeshaushalt abfallen“, fürchtet Schulz. Nach Meinung der Grünen sollten die Aufbau-Ost-Gelder noch mindestens fünf Jahre in alter Höhe bleiben.
Der Schwerpunkt der Förderung sollte mehr auf der Modernisierung von produzierenden Unternehmen und verwandten Dienstleisungen liegen, meinen die Grünen. Nötig sei vor allem der Aufbau einer breiten Basis von Selbständigen, weil dort viel mehr Arbeitsplätze geschaffen würden als in großen Unternehmen. Die grünen Bundestagsabgeordneten bemängelten gestern auch zuwenig Beratung bei Existenzgründungsprogrammen und die Banken: „Die wirken derzeit massiv innovationshemmend“, so Kristin Heyne, „weil sie einfach nicht genügend Interesse an Kleinstunternehmen haben.“ Deshalb fehle es an Risikokapital und Existenzsicherungsprogrammen, die neuen Firmen auch nach ein oder zwei Jahren über eventuelle Finanzlöcher hinweghelfen.
Eine Ost-West-Mischung von bündnisgrünen Abgeordneten tourt derzeit durch die neuen Länder. Sie treffen sich mit kleinen UnternehmerInnen, diskutieren mit Verbänden über Arbeitsplätze durch sanften Tourismus und versuchen Handwerkskammern für die ökologische Steuerreform zu gewinnen. Dadurch soll die „Wahrnehmung geschärft werden für die spezifischen Ostprobleme“, aber auch das Bild der Grünen bei Wirtschaftsvertretern in den neuen Ländern besser werden.
Egal, mit welchen Bündnissen für Arbeit, Innovationsoffensiven oder Ausbildungsprogrammen: „Bei der heutigen Lage ist wohl keine Vollbeschäftigung erreichbar“, gibt Werner Schulz zu. Aber die Entwicklungen im Osten könnten auch als Orientierung für die alten Bundesländer dienen. Nach dem Motto: Was den einen bevorsteht, haben die anderen schon durchgemacht. Reiner Metzger
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