: Keine "Solar City"?
■ Seit seinem Amtsantritt propagiert der Umweltsenator von Berlin die "Solarhauptstadt". Wie ist der Stand der Dinge?
Mit Firmen wie der Solon AG, die derzeit ihren Sitz in der Schlesischen Straße in Berlin-Kreuzberg einrichtet, könnten die Hauptstadtpolitiker so richtig was fürs Renommee tun: Die Neugründung, ein Zusammenschluß aus vier kleineren Unternehmen, will zunächst Photovoltaikmodule montieren und sie in Zusammenarbeit mit Elektriker- und Dachdeckerbetrieben zu möglichst niedrigen Komplettpreisen unter die Leute bringen. Ab 1999 sollen die benötigten Solarzellen sogar aus eigener Produktion kommen.
In einer Stadt, die sich selbst als künftige „Solar City“ anpreist, müßte solch ein Unterfangen alle Behördentüren sperrangelweit öffnen. Anderthalb Jahre nach Einreichung der ersten Anträge jedoch sieht die Bilanz, die Solon- Mitbegründer Alexander Voigt über die bisher erfahrene Unterstützung zieht, eher verhalten aus: „Verbal auf jeden Fall...“ Es folgt eine vielsagende Pause.
„Die Strukturen“, meint auch Uwe Hartmann von der deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), seien „äußerst verkrustet“. Als beispielhaft nennt er die „Solaranlagenverordnung“, mit der vorgeschrieben werden soll, daß 60 Prozent der Warmwassererzeugung in Neubauten mittels Sonnenenergie zu erfolgen habe.
Das Regelwerk, um das nun schon seit fast zwei Jahren heftig gestritten wird, wäre in der Tat bundesweit einmalig, wie der Berliner Senator für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie, Peter Strieder (SPD), gerne betont. „In anderen Ländern“, hält Hartmann dagegen, „ist eine solche Verordnung auch gar nicht so nötig“, weil die Verantwortlichen von der Politik über die Verwaltung bis hin zur Bauwirtschaft den erneuerbaren Energiequellen viel mehr Aufmerksamkeit und Einfallsreichtum widmeten als die Akteure in der „Solar City“.
Wenig begeistert zeigen sich Aktivisten der Solar-Szene auch von „Energie 2000“. So nennt sich das Konzept, mit dem der Berliner Stromerzeuger Bewag künftig Errichtung und Betrieb von Solarstromanlagen fördern soll. Dem von Senator Strieder selbst verkündeten Ziel, „Solarhauptstadt“ Deutschlands zu werden, sei die Spreemetropole nach Mitteilung der Umweltverwaltung damit „ein gutes Stück nähergekommen“. Die nüchterne Bilanz ließe sich freilich auch anders interpretieren: Vorgabe des Senats war die in vielen Kommunen schon seit Jahren praktizierte „kostendeckende Einspeisevergütung“: Wer Strom aus Sonnenenergie produziert, sollte ihn zum Entstehungspreis von etwa 2 Mark pro Kilowattstunde (kWh) in das Netz einspeisen können. Erreicht wurde schließlich nicht einmal die Hälfte – und eine neue Wortschöpfung: Als „kostenorientierte“ Vergütung zahlt die Bewag künftig neben einem Zuschuß für den Bau der Anlagen maximal 81 Pfennig pro kWh.
Holger Rogall, Solarexperte der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, findet das Ergebnis indes sogar „besser als das, was in anderen Ländern passiert“, weil das Bewag-Konzept der vielbeklagten Subventionsmentalität der Branche entgegenwirkt. Kernstück von „Energie 2000“ ist nämlich eine „Solarstrombörse“, die nach regelmäßigen Neuausschreibungen für die Einspeisung den günstigsten Anbietern den Zuschlag erteilt. Wettbewerbsdruck soll den effizienten Anlagen zur Marktführerschaft verhelfen.
Auch Hartwig Berger, energiepolitischer Sprecher der Berliner Bündnisgrünen, bezeichnet das Konzept als „Fortschritt“ – allerdings auch als den einzigen, zudem verbunden mit einem „kontraproduktiven“ Anhang. Senator Strieder zeigte sich nämlich derart angetan vom „Engagement“ der Bewag, daß er quasi als Belohnung „behindernde Regelungen für den Stromeinsatz im Land Berlin“ zu überprüfen versprach. Gemeint ist zum Beispiel die Auflage, im öffentlich geförderten Wohnungsbau auf Nachtstromspeicherheizungen und elektrische Warmwasserbereitung zu verzichten. Allerdings, so Berger, müßten hierfür die entsprechenden Landesgesetze geändert werden, und darüber „entscheidet ja das Parlament und nicht Herr Strieder“.
Der Senator selbst muß dafür über eine andere Frage befinden, mit der sein Sonnen-Image steht oder fällt: Das „Internationale Solar Center“ (ISC) soll als Träger eines „dezentralen Projektes“ für die Weltausstellung in Hannover spätestens im Jahre 2000 sein Quartier am Berliner Hauptbahnhof beziehen. Der ursprünglich ein Jahr früher geplante Termin ist schon jetzt nicht mehr zu schaffen.
Für das ISC-Gebäude soll nämlich ein Altbau durch eine Neukonstruktion ergänzt werden, was aber nur dann finanzierbar ist, wenn zuvor ein maroder Seitenflügel abgebrochen wird. Beides – Umwelt- und Denkmalschutz – fällt in Strieders Ressort, und sein Staatssekretär Hanns Stimmann gilt entschieden als Gegner des Teilabrisses. Die ohne einen Abriß entstehenden Mehrkosten würden das Projekt jedoch ebenso in Frage stellen wie eine weitere Verzögerung, und deshalb mahnt der Geschäftsführer der ISC-Betreibergesellschaft, Strieders saarländischer Parteifreund Jo Leinen, zur Eile: „Der Senator muß sich entscheiden – so oder so.“ J. Siemer
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