■ Vorlauf: Wehmütige Malocher
„Der Platz“, So., 23.20 Uhr
Potsdamer Platz. Eine Adresse, die schlimmste Befürchtungen weckt. Soll da etwa schon wieder das Hohelied auf die größte Baustelle der Milchstraße angestimmt werden, droht gar ein Nachklapp zu Daniel Barenboims albernem Ballett der Kräne, müssen wir uns womöglich noch einmal die stumpfen Touristen auf Sonys Info-Box angucken, oder droht eine Soap mit den sturen Bewohnern des umstellten Weinhauses Huth, die lieber ein paar Jahre mitten im Schutt leben, als sich auf Kosten von Daimler-Benz für immer in die Sonne zu legen?
Nichts von alledem. Statt dessen hat Uli Schüppel stoische Bauarbeiter in Schwarzweiß gefilmt. Wie sie ruhig Kräne erklimmen, ihre sabbernden Bagger an die Wasserlöcher führen und virtuos das Eisen flechten. So meditativ ist das, als hätte man sich mit dem Fischer- Technik-Baukasten in einen Rausch gespielt.
Unterlegt hat Schüppel seinen poetischen Dokumentaressay mit den Gedanken der Bauarbeiter. Die träumen mitten im Schlamm von einem Häuschen im Grünen und Spaziergängen am Meer. Wehmütige Gedanken, die ein anderer Bauarbeiter mit den hohlen Klängen ihres schmutzigen Alltags flankiert: FM Einheit, einst bei den Einstürzenden Neubauten tätig, hat aus original Baugeräuschen einen faszinierenden Soundtrack gezimmert.
So schön kann Baustellengucken sein.Oliver Gehrs
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