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Bonbons mit Bauchwurst

Ideenfluchtenreicher Haschhumor: Der Jazzmusiker Helge Schneider bleibt auch mit seiner neuen CD „Da humm“ populär und komisch  ■ Von Detlef Kuhlbrodt

Über Helge Schneider zu lachen ist einfach. Ihn zu verstehen schon ein wenig schwerer. Zu begreifen wie es kam, daß der Humor des Mühlheimers, der vor sechs Jahren als „singende Herrentorte“ republikweit eingeführt wurde, inzwischen mehrheitsfähig ist, daß seine trashigen Filme, an denen auch Christoph Schlingensieff beteiligt war, nicht floppten, daß nicht dieser oder jener, sondern eben gerade Helge Schneider den Witz der neunziger Jahre repräsentiert, ist fast unbegreiflich und hebt das Ansehen der Mitbürger sehr.

Erklärungen für seinen Erfolg gibt es viele, und sie stimmen auch alle mehr oder weniger: Möglicherweise hätte es damit zu tun, daß seit der Wiedervereinigung die Leute soviel kiffen und daß sich in Folge der ganzen Rumkifferei ein hemmungslos assoziativer, ideenfluchtenreicher Haschhumor durchgesetzt habe, der eher auf performative Elemente, denn auf Inhaltspointen setzen würde, wobei es – da Kifferhumor nur eine Metapher ist – völlig gleichgültig ist, ob Schneider selbst denn nun wirklich ab und an Joints raucht oder nicht. Andere halten seinen Erfolg für eine Folge diverser Mißverständnisse, andere schätzen ihn nach dem idiotischen Motto: „So schlecht, daß es schon wieder gut ist.“ Die Leute, die Schneider vermarkten (vielleicht auch Schneider selbst) versuchen ihn als volksnahes und regionales „Original zwischen Film, Musik und Entertainment“ an den Mann zu bringen: „Dies ist Helge Schneider, ein Gesicht, das einem auffällt in dem saturierten Einerlei der Mülheimer Konsumrennbahn. Man kann ihn dort treffen, wenn man bei Eduscho einen Kaffee trinkt“, heißt es zitierend im Innersleeve seiner neuen Doppel-CD.

Irgendwann auf „Da humm“, nachdem er x-mal als Running gag „Katzenklo“ angespielt und wieder abgebrochen hatte, nach diversen Versionen seines neuen Hits „Fitze, Fitze, Fatze“ – unter anderem zweimal „the Making of Fitze, Fitze, Fatze“, beteiligt sich auch Helge Schneider am Spiel der Interpretationen. Dies Lied, so kündigt er eines an, „handelt von der schlechten Welt, in der wir leben. (...) Und in dieser schlechten Welt spielen meine Lieder und machen alles wieder gut.“

Das stimmt so, wie er's sagt. Wenn man versteht, was ich meine. Der blöden Wirklichkeit setzt er eine niedliche Bilderwelt konsequent kindlich perverser Onkelhaftigkeiten entgegen, in der die kindliche Allmacht der Wünsche triumphiert.

Die mehr als zwei Stunden „Da humm“ sind eine Art Querschnitt seines Schaffens – von dem Lied, daß er vor 15 Jahren für den Schlingensieff-Film „Menu Total“ schrieb (1982), über den entspannt abgehangenen 00-Schneider-Titelsong mit der besonders schön kasinomäßigen Hammondorgel, über die Titelmelodie zum „Kleinen Arschloch“ bis zu diversen Stücken aus „Praxis Dr. Hasenbein“.

Schneider wie man ihn kennt also: viel angenehmer Chillout- Jazz, ein paar Schlager, die die zwanziger Jahre zitieren und klingen wie Schellackplatten. Es gibt eine wunderbare Version des Armstrong-Klassikers „Wonderful World“, ein, zwei kalkulierte Aussetzer für den Massengeschmack, in denen es um Peters „Sackratten“ geht, leitmotivisch geht es in mehreren Stücken um Leberwurst, Bauchspeichelwurst, „Bonbons aus Wurst“ („es war der Bonbon aus Wurst, der ihr Glück gebracht/ Bonbon aus Wurst die ganze Nacht/ Bonbon aus Wurst, riesengroß/ Bonbon aus Wurst, ganz famos“) und die „Wurstfachverkäuferin“, deren schöner Refrain den schönen Mai '97 begleitet: „Ich bin der Wurstfach-, ich bin der Wurstfach-, ich bin der Wurstfachverkäuferin/ ja, die Wurst ist, ja, die Wurst ist, ja, die Wurst ist mein Lebenssinn.“

Dazu einige bilderreiche Geschichten: In einem Lied wird von tausend nackten Opas berichtet, die auf einem Gitter sitzen, das über ein Stadion gespannt ist; Helge und seine Freunde hangeln an den Säcken der Opas, die durchs Gitter hängen, durch die Gegend, Madonna spielt auch eine Rolle; anderswo werden der amerikanische Präsident und seine Frau beim Ficken vom belgischen Innenminister gefilmt; eine anderen Geschichte berichtet von einer Unterwasserfahrt, die Helge mit seiner Frau („Keine trägt so schöne Slips wie meine Frau“) und Jacques Cousteau unternimmt. Irgendwann kommt ein Blauwal mit seinen Kumpels vorbei, die völlig betrunken sind vom Bier, das im Kühlschrank steht, den der Blauwal verschluckt hat. Cousteaus „angstvoll geweitete Augen signalisieren mir, daß er sich sich lieber die Eingeweide rausnimmt und sie selber ißt auf einem Friedhof und dabei Mädchen anguckt. Der fiese Kerl.“ Und so weiter und so fort. Alles bestens. Viel Vergnügen.

Manchmal sitzt man abends zusammen und diskutiert über die angeblich artverwandten Verfasser surrealer Idyllen; also Max Goldt, Funny von Dannen und Helge Schneider. Man favorisiert und verwirft diesen oder jenen, doch die Unterschiede sind zu deutlich, als daß es sich lohnen würde, länger drüber zu reden. Funny von Dannen kommt letztlich aus der Friedensbewegung, Max Goldt vom Camp und arbeitet eh in einem anderen Genre; Helge Schneider, der „mystifizierte Komiker“, der stets souveräne Entertainer, der Jazzmusiker, sieht viel besser aus als die beiden anderen und ist zudem der einzige, dessen Werke nichts mit wie auch immer vermittelten Gruppenidentitäten zu tun haben. Statt dessen singt er: „Ich bin du/ du bist ich/ ich bin ich/ du bist du.“ Und was so identitätstauschlustig klingt, ist übrigens die Variation eines alten DDR-Schlagers.

Helge Schneider, „Da humm“ (Doppel-CD; EMI)

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