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Stadt haftet mit für Hansetor-Gift

■ Einigung über die Sanierung der Altlast unter Neubausiedlung: Interhomes und Stadt Bremen wollen sich die Kosten teilen

Der Bremer Senat hat erstmals in einem vertraulichen Bericht die Mitverantwortung der Behörden für die Bodenkontamination im sog. Hansetorviertel in Hemelingen eingeräumt. Die Baugenehmigung sei damals „mit äußerster Priorität vorangetrieben worden“, heißt es entschuldigend in dem Papier, das der Senat am Dienstag zur Kenntnis genommen hat. „Unzureichende Abstimmung“habe es gegeben zwischen Wasserwirtschaftsamt und Bauordnungsamt, zu deutsch: einen handfesten Konflikt. „Organisationsverschulden“sei gegeben, stellt das Papier von Bau- und Umweltsenatorin fest. Die Folge: Der Senat haftet mindestens teilweise für die Sanierungskosten des Geländes.

Da aufgrund der gesundheitlichen Gefährdung durch die Bodenkontamination schnell gehandelt werden müsse, so der Senatsbericht, habe man sich mit der verantwortlichen Baufirma Interhomes auf „halbe-halbe“verständigt: Interhomes bezahlt bis zu 1,5 Millionen Mark für die Bodensanierung, die Stadtgemeinde zahlt den Rest, voraussichtlich also die 600.000 Mark für das Gutachten und ca. 7 bis 900.000 Mark „Grundwassersanierung“.

Wenn die Versicherung für „Haftpflichtschadensausgleich der deutschen Großstädte“(HADG) einen Teil der Summe übernimmt, hat die Stadt Glück gehabt. Ebenfalls, wenn der damalige Gutachter der Firma Interhomes, Prof. Ullrich, zur Verantwortung gezogen werden kann.

Den Besitzern der 75 Eigenheime, die damals in gutem Glauben ihr Haus auf total verseuchtem Boden gekauft haben, die Kosten der Sanierung aufzubürden sei „nicht vertretbar“, heißt es in dem Papier, auch „rechtlich schwer durchsetzbar“. Sie müssen sowieso ihren Teil zum Kompromiß beitragen: Sowohl die Stadt wie Interhomes zahlen nur, wenn die Eigenheim-Besitzer auf „weitergehende Ansprüche“bzw. die „Amtspflichtsverletzungs-Ansprüche“verzichten. „Weitergehende Ansprüche“könnten sich z.B. auf die Wertminderung der Immobilie beziehen, aber auch auf die generelle Haftung eines Grundstücksbesitzers für seine Immobilie („Zustandsstörerhaftung“).

Bisher wissen die Hansetor-Anwohner noch nichts über den erzielten Kompromiß, sie sollen erst am Freitag auf einer Versammlung der Betroffenen informiert werden. Rechtsanwalt Abel-Lorenz, der einzelne der Anwohner vertritt, wollte sich gestern noch nicht zu dem Angebot äußern, da auch er bisher keine Details der erzielten Einigung zwischen Senat und Interhomes kennt. „Sehr vorsichtig“sei er allerdings, meinte er, wenn der generelle Verzicht auf Ansprüche verlangt werde.

Harald Bethke von der BEB, der die Bodensanierung koordinieren soll, wird am Freitag seinen Zeitplan den Anwohnern vorstellen: Wenn dieses Jahr noch begonnen werden soll mit der Arbeit, dann, so Bethke, müssen sich die Parteien sehr schnell einigen. Denn wenn die komplexen Rechtsfragen vor Gericht gehen, dann kann es Jahre dauern – Bremen wegen der möglichen „Amtspflichtverletzung“, der Gutachter Prof. Ullrich, sowie die Sanierungsfirma Rethmann und die Baufirma Interhomes. „Als gesichert ist anzunehmen, daß jede Seite sich einen Teil der Haftung zurechnen lassen muß“, davon geht der Senat aus. Den eigentlichen Schaden eines jahrelangen Rechtsstreits hätten aber wieder die Hansetor-Anwohner: Sie müßten auf ihren vergifteten Grundstücken weiter leben, auf denen aus Vorsichtsgründen weder ein Spielplatz für Kinder noch ein Gemüsebeet oder ein Gartenbrunnen eingerichtet werden darf. K.W.

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