: Seehofer kämpft mit den Patienten
■ Deutscher Ärztetag: Für den Gesundheitsminister kommen Änderungen bei umstrittener Gesundheitsreform nicht in Frage
Eisenach (AFP/taz) – Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hat zu mehr „Eigenverantwortung“ aufgerufen, um die Gesundheitsversorgung zu sichern. In seiner Rede beim 100. Deutschen Ärztetag in Eisenach sagte der Minister: „Der Irrglaube von einer Rundumversorgung durch den Staat muß zurückgenommen werden. Sparen bleibt das Dauergebot auch in der gesetzlichen Krankenkasse.“ Er werde mit „Zähnen und Klauen“ für eine sozialverträgliche Selbstbeteiligung der Patienten an Zuzahlungen kämpfen.
Seehofer lehnte die Forderung von Gewerkschaften und der SPD nach einer Dauerbudgetierung bei den Ärzten ab. Diese Vorschläge sehen eine Koppelung der Gesundheitsausgaben an die Lohnentwicklung vor. Seehofer befürchtet, eine Budgetierung würde einen „erheblichen Qualitätsverfall der Leistungen“ nach sich ziehen. Änderungen bei der umstrittenen Gesundheitsreform kommen für ihn nicht in Frage. Wahrscheinlich werde der Bundestag das Gesetz am 12. Juni verabschieden. Der Minister geht davon aus, daß der Bundestag den Einspruch des Bundesrates zurückweist.
Das Erste Neuordnungsgesetz soll den gesetzlichen Krankenkassen erschweren, ihre Beiträge zu erhöhen. Für jeweils 0,1 Prozentpunkte Beitragserhöhung sollen die Kassen verpflichtet werden, den Versicherten eine erhöhte Zuzahlung von einer Mark abzuverlangen. So müssen künftig statt vier Mark acht Mark für ein Medikament der kleinsten Packungsgröße gezahlt werden. Patienten von Ersatzkassen werden gleich doppelt geschröpft. Die meisten Kassen haben kürzlich abermals die Beiträge erhöht. Aufgrund des künftig geltenden 2. Neuordnungsgesetzes werden sie fünf Mark zusätzlich berappen müssen. Außerdem sieht dieses Gesetz eine automatische Beitragserhöhung vor. Gegen beide Neuordnungsgesetze hatte die SPD im Bundesrat ihren Einspruch eingelegt.
Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Karsten Vilmar, forderte einen „Abbau der Versorgungs- und Vollkaskomentalität und ein größeres Gesundheitsbewußtsein in der Bevölkerung“. Die Menschen würden oft nicht genug auf ihre Gesundheit achten; statt dessen verfielen sie häufig in ein „Reparaturdenken“. Vilmar forderte abermals, gewisse Leistungen aus dem Katalog der Krankenkassen herauszunehmen, „um die Mittel auf die wirklich Bedürftigen zu konzentrieren“. Der Versicherte zahle „für eine ausreichende Hilfeleistung, und damit kann er als Kranker auch nur diese beanspruchen“. So müßten etwa Impfungen für Auslandsreisen und Mutterschaftsvorsorge aus dem Kassenkatalog gestrichen werden.
Die Bündnisgrünen kritisierten Vilmars Vorschläge. „Sie entbehren jeglicher redlicher ökonomischer Beurteilung und bereiten dem Ausverkauf des Sozialen und Gerechten in der Medizin den Weg“, sagte die Abgeordnete Monika Knoche. roga
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