: Hamburg, das Letzte im Norden
Stiftung Warentest: Mangelhaft für Hamburgs Radwege. Zu schmal, zu ungepflegt, zu unkoordiniert, zu autofreundlich ■ Von Florian Marten
Gesamturteil: „mangelhaft“. Dieses vernichtende Urteil schlägt der Hamburger Fahrradpolitik in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Test entgegen. In einer umfangreichen Analyse hat die Stiftung Warentest für ihr Juni-Heft, das heute an die Kioske kommt, die „Radfahrfreundlichkeit von Städten“untersucht. Hamburg, so das Ergebnis des Vergleichs von 19 Städten, zählt zu den Schlußlichtern.
Eine besonders miese Teilnote erhielt Hamburg zum Beispiel in der Kategorie „Fahrradklima“, mit der der Stellenwert des Radverkehrs und die Anzahl modellhafter Ansätze beurteilt wird: ein glattes „Mangelhaft“. Mangelhaft, so befanden die Tester, sei auch die Erreichbarkeit: Die Radwege seien ungeeignet für zügiges Vorankommen, das Leitsystem sei völlig ungenügend. In den Kategorien Attraktivität und Sicherheit machen sich die vielen Kilometer Fahrradwege bemerkbar – Hamburg erreichte hier jeweils ein „Zufriedenstellend“.
Einzig Basel, Freiburg und Münster konnten ingesamt das begehrte Testqualitätsurteil „Gut“ergattern. Für München, Kiel, Berlin und Bremen reichte es immerhin noch zu einem „Zufriedenstellend“.
Den Urteilen der eigenen TestradlerInnen stellte Warentest diesmal vorsichtshalber die Ergebnisse einer Umfrage in 62 Städten gegenüber. Allerdings erfüllt diese Umfrage mit ihren im Schnitt nur 73 Fragebögen pro Stadt nicht die statistischen Mindestanforderungen.
Dennoch decken sich die erfragten Notenwerte (Notenskala von 1 bis 5) in den meisten Fällen mit den Testergebnissen. Hamburg bekommt hier eine 3,6 – die schlechteste Note in Norddeutschland. Jedenfalls nördlich von Potsdam (3,8) und Magdeburg (3,7). Bremen erreicht eine 2,2, Hannover eine 3,0 und der bundesdeutsche Spitzenreiter Münster gar eine 1,6.
Für ExpertInnen ist die schlechte Benotung Hamburgs nicht weiter verwunderlich. Obwohl die Hansestadt seit kurzem über eine Fahrradbeauftragte verfügt und über einen fahrradfreundlichen Gestaltungskatalog für Stadtstraßen (PLAST – „Planungshinweise für Stadtstraßen/Anlagen des Radverkehrs“), ist von einer koordinierten Fahrradpolitik nichts zu sehen.
Kein Wunder, meint ein Insider: „Wer in der Baubehörde oder in den Bezirken Fahrradwege plant, befindet sich auf der untersten Planerstufe.“Und: Radwege sind in ihrer Mehrzahl Sache der Bezirke, was zu einem wahren Flickenteppich von Fahrradwegekonzepten geführt hat.
Die meisten der Radwege an den großen Hamburger Ausfallstraßen sind zudem weit schmaler als offiziell vorgeschrieben und widersprechen mit ihrer sogenannten „Verschwenkung“an Kreuzungen den Erkenntnissen der Verkehrsunfallforschung. Abhilfe ist vorerst nicht in Sicht. Allenfalls stückchenweise, sagt die Baubehörde, werden breitere Fahrradstreifen und verbesserte Fahrradkreuzungen in Hamburg gebaut.
Ein Wahlkampfbonbon freilich hat die Baubehörde nach taz-Informationen freilich in petto: Für 3,5 Millionen Mark soll jetzt eine durchgehende Veloroute von Stellingen in die Innenstadt angepackt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen