Reißerischer Titel läßt Abgründe vermuten

■ betr.: „Eklat um amnestys Israel- Arbeit“, taz vom 22. 5. 97

Der Titel läßt wahrscheinlich den geneigten Leser Abgründe in der Arbeit der deutschen Sektion von ai vermuten. Doch was folgt nach diesem reißerischen Titel – zunächst mal eine Reihe von inhaltlichen Fehlern: 1. Nicht die Israel-Kogruppe hat ihre Arbeit eingestellt, sondern einige Mitglieder der Gruppe haben ihre Mitarbeit eingestellt. Die Gruppe besteht weiterhin. 2. „Die für dieses Jahr geplante Israel-Kampagne wurde abgesagt.“ Richtig ist, daß die deutsche Sektion von ai sich derzeit an einer Israel-Aktion beteiligt, d. h. an einer Aktion, die zeitlich auf wenige Wochen begrenzt ist und an der sich im Gegensatz zu Kampagnen stets nur wenige Gruppen beteiligen. 3. Die erwähnten „harten Auseinandersetzungen“ um die Strategie zu Israel zwischen Vorstand und Mitgliedern der Kogruppe kann ich als verantwortliches Vorstandsmitglied (und nicht wie im Artikel zitiert als Länderbeauftragte) nicht bestätigen: Eine fundierte sachlich-politische Diskussion über die ai-Strategie zu Israel fand leider nie statt. 4. Hätte sich der Autor des Artikels in mancherlei Hinsicht intensiver mit ai auseinandergesetzt, wäre ihm bekannt, daß Volkmar Deile mitnichten Vorstandsmitglied ist, sondern Generalsekretär der deutschen Sektion.

Dem Vorwurf von Andrea Malorny, der ai-Vorstand reagiere auf die Situation der PalästinenserInnen mit Passivität, Lethargie und Wegsehen, möchte ich folgende Fakten unseres derzeitigen Engagements gegen Menschenrechtsverletzungen in Israel entgegenstellen: ai hat gegenüber der Öffentlichkeit kontinuierlich dokumentiert, daß in Israel und den besetzten Gebieten jedes Jahr Tausende von Personen aus Sicherheitsgründen in Haft gehalten werden. Viele der Inhaftierten werden ohne Kontakt zur Außenwelt gehalten und Folterungen und Mißhandlungen unterworfen. Die offiziellen Untersuchungen der Folter- und Mißhandlungsvorwürfe waren bisher unzureichend. Israel hat die relevanten internationalen Abkommen zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zwar ratifiziert, verletzt aber wesentliche Rechte, die diese Abkommen garantieren. ai fordert deshalb die israelische Regierung auf, die Anwendung der Folter zu unterbinden; [...] Verwaltungshaft, die den Gefangenen das Recht auf einen fairen Prozeß verweigert, zu unterbinden; [...] alle Gefangenen, die allein aufgrund der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit in Verwaltungshaft gehalten werden, sofort und bedingungslos freizulassen und alle übrigen Gefangenen aus der Haft zu entlassen oder sie einer erkennbaren strafbaren Handlung anzuklagen; Mordechal Vanunu angesichts der erlittenen Menschenrechtsverletzungen freizulassen; [...] Margit Jost, ai-Vorstand für Länderarbeit, Köln