Das Portrait: Der Abgang einer Identifikationsfigur
■ Michael Zore
Zuerst Europapokalsieger, nun darf er vom Rasen: Dortmunder Michael Zorc Foto: Bongarts
Selbst die Fans von Borussia Dortmund, denen zuliebe man Michael Zorc (34) nicht schon vor Monaten beim frischgebackenen Champions-League-Sieger rausgeworfen hatte, selbst die Fans schienen sich willfährig in die Inszenierung zu begeben. Erst zehn Minuten vor Schluß, als das Spiel längst entschieden war, begannen sie brav mit ihren „Susi“- Sprechchören zu fordern, daß das letzte verbliebene Symbol des Malochertums eingesetzt werde. Selbst die Fans haben also erkannt, was „Susi“ Zorc bereits vor einigen Wochen formulierte: „Einmal erwischt es jeden.“
Überwältigt von der medienträchtigen Rührseligkeit wollte auch Trainer Ottmar Hitzfeld, in den letzten Monaten nicht gerade Zorcs bester Freund, nicht hintenan stehen. Er wechselte Zorc schließlich ein – zwei Minuten vor dem Ende. Viel anrichten konnte die Identifikationsfigur da nicht mehr. Anschließend ließen ihn die besser bezahlten Kollegen sogar als ersten den Pokal stemmen. Noch ein Geste, noch was fürs Familienalbum, noch ein „Pott im Pott“. Aber der neben Torsteher Klos einzige echte Dortmunder wird wohl demnächst gehen müssen. Und schlußendlich wird keiner weinen. Außer Zorc natürlich.
Schon vor Monaten hätte er bei Schalke 04 unterschreiben können, aber für Zorc wäre das immer noch ein Sakrileg gewesen. Also hat er abgelehnt. Die Zeiten haben sich allerdings geändert, der Schlachtruf „Ruhrpott“ schwebt über der Republik und mit dem Erzrivalentum ist es nicht mehr weit her. Am Mittwoch trug selbst Schalke-Faktotum Charly Neumann einen blaugelben Schal um den Hals. Vor zwei, drei Jahren, nach den ersten Erfolgen, hätten sie Zorc in Dortmund noch ein Denkmal gebaut. Inzwischen ist der Umbau zum Fußball- konzern abgeschlossen und für Rührseligkeit nur solange Zeit, wie sie sich rechnet. Borussen-Präsident Niebaum wird eine Lösung finden. Die dürfte so aussehen, daß Zorc nicht gehen muß – bloß den Rasen verlassen. Der abgebrochene Wirtschaftsstudent wird wohl den gewandelten Zeiten angemessen einen Job im BVB-Management angeboten bekommen. Das ändert aber nichts, daß für Dortmund nun gelten darf, was er noch vor kurzem für unmöglich hielt: „Bei uns, da bin ich sicher“, hatte Zorc gesagt, „wird es niemals Münchner Verhältnisse geben.“ Thomas Winkler
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