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Alle Macht geht von Kabila aus

■ Der Präsident des Kongo überträgt sich rechtzeitig zur Vereidigungszeremonie sämtliche exekutive und legislative Gewalt und kündigt Wahlen für 1999 an. Kinshasas Bevölkerung feiert im Sportstadion

Kinshasa / Berlin (AP/AFP/taz) Zu Zehntausenden strömten die Bürger Kinshasas gestern seit dem frühen Morgen in das 85.000 Plätze bietende „Stadion der Märtyrer“, wo sich am Nachmittag Laurent- Désiré Kabila erstmals direkt dem Volk stellte. Nach Berichten aus der Stadt herrschte eine festliche Stimmung. Einige hundert Anti- Kabila-Demonstranten zogen sich zurück, nachdem sie mit Parolen gegen die „ruandische Besatzung“ keinen Widerhall fanden. Am Vortag hatten Soldaten von Kabilas AFDL einen Protestzug von etwa 1.000 Studenten aufgelöst.

In seiner Rede kündigte Kabila Parlaments- und Präsidentschaftswahlen für April 1999 an. Davor legte er in Anwesenheit zahlreicher afrikanischer Staatschefs seinen Amtseid als Staatspräsident ab. Am Vorabend hatte er sich weitreichende Vollmachten erteilt. Laut einem Dekret aus fünfzehn Artikeln ist Kabila nicht nur Staats- und Regierungschef, sondern nimmt auch die Funktionen des Parlaments und der Zentralbank wahr. „Der Präsident der Republik übt die legislative Gewalt durch im Kabinett beratene Gesetzesdekrete aus“, lautet Artikel fünf. „Er ist der Chef der Exekutive und der Chef der Streitkräfte. Er übt seine Macht per Dekret aus. Er hat das Recht, in Ausübung des Gesetzes Geld zu emittieren.“ Gemäß weiterer Artikel ernennt und entläßt der Präsident die Mitglieder der Regierung, die Botschafter, die Provinzgouverneure und Vizegouverneure, die hohen Offiziere und Generäle der Armee, die Leiter der Staatsverwaltung und der Staatsbetriebe und auch die Richter, obwohl die Justiz „unabhängig“ ist. Beobachter halten es für möglich, daß die Zentralisierung der Macht in Kabilas Händen vor allem seinen Beraterkreis aus hohen Militärs stärkt.

Diese Verfügungen gelten bis zur Annahme einer Verfassung durch die Verfassunggebende Versammlung. Die, so versprach Kabila am 17. Mai, soll bis Mitte Juli einberufen werden; einen Termin für den Abschluß ihrer Arbeit gibt es genausowenig wie eine Regelung, auf welche Weise ihre Mitglieder bestimmt werden und Verfassungsentwürfe entstehen sollen.

Nach ersten Überlegungen innerhalb von Kabilas AFDL-Allianz sollen die Mitglieder der Versammlung nach einem Pyramidensystem bestimmt werden – direkte Wahlen in den Gemeinden, deren gewählte Vertreter dann Vertreter auf höherer Ebene bestimmen, die wiederum die nächsthöhere Ebene wählen bis hinauf zur Versammlung selbst. Dies ist das Modell der in Uganda regierenden „Nationalen Widerstandsbewegung“. Ein anderer Vertreter der AFDL sagte am Dienstag in Berlin, die Versammlung werde 300 Mitglieder haben. Er bestätigte auch, daß die am vergangenen Freitag vorgestellte Kabinettsliste bereits eine Woche vorher fertig war – bevor die AFDL Kinshasa überhaupt eingenommen hatte. So stand das Ergebnis der Gespräche über eine Regierungsbildung zwischen Politikern der Hauptstadt und der AFDL nach deren Einmarsch längst fest.

All dies ergibt keine Demokratie. Die Politik der AFDL besteht darin, die Bürger unablässig zur Mitarbeit in den eigenen Strukturen aufzufordern und autonome politische Aktivität möglichst zu unterbinden. Mit Erfolg: Gestern erklärten vier kleinere Oppositionsparteien ihren Beitritt zur AFDL. Am Dienstag hatte Innenminister Mwenze Kongolo die Aufteilung Kinshasas in 24 Zonen verkündet, in denen demnächst Bürgermeisterwahlen stattfinden sollen. D.J.

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