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Francop und Moorburg – tschüss und adé?

Sieben Stunden lang stritten sich Experten über die Zukunft des Hafens  ■ Von Heike Haarhoff

Rainer Böhrnsen, ein echter Moorburger, hat das Wort: „Die Hafen-City, die Bürgermeister Voscherau plant, relativiert den Flächenbedarf des Hafens“, sagt er klipp und klar. Wenn es „einfach so“möglich sei, mehr als 100 Hektar aus dem klassischen Hafen herauszulösen, um die Innenstadt zum Wasser hin zu erweitern, dann, so Böhrnsen, könne die Flächennot ja wohl nicht so groß sein. Nicht so groß jedenfalls, als daß der Hamburger Senat sich vorbehalten müßte, um das Jahr 2030 herum den Stadtteil Moorburg zu Hafenzwecken abzusiedeln.

Böhrnsen gerät ins Stocken. Seine Stimme zittert. Erwartungsvoll blicken den Initiator des Stadtteilforums „Die Moorburg“der versammelte Wirtschaftsausschuß der Bürgerschaft sowie ein gutes Dutzend Experten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Umweltorganisationen an. „Tut mir leid“, sagt Böhrnsen, „ich bin total nervös.“Er kann einfach nicht so abgehoben wie die anderen beim siebenstündigen Experten-Hearing zum neuen Hafenentwicklungsplan am Freitag die geplante Umwandlung der 1.000-Seelen-Dörfer Moorburg und Francop in Hafenbecken und Containerterminals diskutieren.

Schließlich geht es nicht nur um wachsende Warenströme, sondern um einen Stadtteil. In dem Bausubstanz wie soziales Gefüge bröseln, weil seit 1981 die Unsicherheit jedes Engagement lähmt. In dem sich die Geschichte Altenwerders zu wiederholen droht.

Es führt kein Weg dran vorbei, bedauert der Vertreter der Handelskammer, Hans-Jörg Schmidt-Trenz: Die weitere Erschließung von Flächen sei nötig. Als Entwicklungsperspektive. „Als Option für unsere Kinder“, ergänzt Peter Dietrich, der Vertreter der Hafen-Unternehmen.

Und er beruft sich auf den frisch gedruckten Hafenentwicklungsplan 1997, in dem die Wirtschaftsbehörde prahlt: „Das Wachstum des Containerverkehrs übertraf selbst optimistische Prognosen. Das Umschlagsaufkommen hat sich in zehn Jahren mehr als verdoppelt.“Was läge da näher, als nach Altenwerder auch noch die benachbarten Stadtteile Moorburg und Francop dem Hafen zu opfern?

Vergeblich zählt Herbert Nix vom „Förderkreis Rettet die Elbe“all die bereits erschlossenen Flächen im Hafen auf. Nix plädiert dafür, erschlossene Flächen intensiver zu nutzen, zum Beispiel durch eine moderne Stapeltechnik.

Anreiz zum Platzsparen könnte auch eine höhere Pacht sein, setzt Uwe Lorenz vom Hamburger Institut für Verkehrswissenschaft noch eins drauf. Im Hafen werden Flächen nämlich zu Dumpingpreisen vermietet: der Quadratmeter pro Jahr für durchschnittlich 40 Pfennig. Da winken die Umschlagsunternehmer genervt ab: Man stehe im europäischen Hafenwettbewerb ohnehin mit dem Rücken zur Wand.

Stimmt, sagt der Berliner Europaabgeordnete Frieder Wolf: Es gibt erheblichen politischen Regelungsbedarf. Zwar seien sich alle Länder einig, daß der Staat nur Hafen-Infrastruktur finanzieren darf, also nur das, was der öffentlichen Nutzung dient wie etwa Kaimauern. „Aber die Definitionen von Infrastruktur sind unterschiedlich.“Das heißt, manch andere Hafenstadt finanziere auch Lagerhallen.

Doch den Wettbewerb der Hafenstädte stören nicht nur unterschiedliche Subventionierungen, sondern auch unterschiedliche Arbeitsgesetze, schimpft Olaf von Maydell von der Gerd Buss AG: „Hafen-Arbeitnehmer in Antwerpen können während der Flaute zum Arbeitsamt gehen, wir hingegen müssen Garantielöhne zahlen.“

Europäisierung ja, mischen sich nun auch die Gewerkschaften ein, aber bitte zu deutschen Bedingungen. Schließlich sind von 140.000 abhängig vom Hafen Beschäftigten in Hamburg nur noch 6.000 im klassischen Umschlagsbereich tätig. Doch auch durch die Hafenerweiterung, da sind sich die Experten sicher, wird es kaum mehr Jobs geben. Bestenfalls den Erhalt der gegenwärtigen.

Ob die Hafenwirtschaft denn garantieren könne, daß Altenwerder quantitativ gleich viele Jobs schaffe, will der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Werner Dobritz wissen. Über solch Garantieverlangen mokieren sich Vertreter von HHLA, Handelskammer und Kühne & Nagel AG. Dobritz schießt zurück: „Als Politiker, der über die Vergabe sehr knapper Finanzmittel mitentscheidet, muß mir die Frage des volkswirtschaftlichen Nutzens erlaubt sein“.

Der sozialdemokratische Wirtschaftsexperte hat es schwer an diesem Abend. Da hat man nun diese ganzen Experten geladen, aber keiner kann Dobritz erklären, weshalb ausgerechnet der Transrapid so „ungeheure Bedeutung“für den Hafen haben soll. Beim Thema Elbvertiefung wird die Diskussion konkreter. Warum denn die Elbvertiefung so dringend nötig sei, will GALier Alexander Porschke wissen, wenn die Schiffe nicht einmal den heutigen maximalen Tiefgang ausnutzen. Da fahren die Hafenchefs geballt ihre Argumente auf: Viele Reeder wollten nicht das Risiko eingehen, im Hafen bei Ebbe stundenlang zu versanden. Die seewärtige Erreichbarkeit sei einfach das „Killerkriterium“für den Hafen.

Uwe Lorenz vom Hamburger Institut für Verkehrswisenschaft widerspricht: Seine aktuelle Umfrage bei den zehn wichtigsten Hamburger Reedereien nämlich habe ergeben, daß die ausschlaggebenden Kriterien, einen Hafen anzulaufen, diese seien: Ladungsaufkommen, Suprastruktur, Produktivität (Liegezeiten) und Infrastruktur. Erst an fünfter und sechster Stelle kämen für die Reeder see- und landseitige Erreichbarkeit. „Sehr theoretisch“, nörgelt Dietrich. „Wissenschaftlich“, motzt Lorenzen zurück.

Nach sieben Stunden Debatte schließlich sind alle Argumente ausgetauscht. Immerhin. Das ist aber auch alles.

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