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Grünzeug für die Klimawende?

Mecklenburg-Vorpommern legt ein detailliertes Konzept zum Klimaschutz vor. Der Einsatz von Biomasse in Kraftwerken als Königsweg  ■ Von Peter Hergersberger

Langsam kippt die Hydraulik die Ladefläche. Späne und Holzschnitze rauschen in einen trichterförmigen Schlund. Sie verschwinden in dem Herz der Anlage – einem Ofen, der sie zu fast 1.000 Grad Hitze zerglüht. Eine Turbine erzeugt Strom daraus. Der Strom fließt ins Umland. Mit dem aufgeheizten Kühlwasser werden Wohnungen beheizt.

Am anderen Ende des Kraftwerks rieselt dann die Asche des Brennstoffs in Säcke, die einem Landwirt in den Anhänger gehievt werden. Mit dem mineralreichen Staub wird er seine Brennstoffplantagen düngen.

So ähnlich muß man sich die heile energiewirtschaftliche Zukunft einer mittleren Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern ausmalen, wenn man die Pläne der Landesregierung zum Klimaschutz studiert. Das Ostseeland baut auf Energie aus Biomasse.

1989 haben die Bewohner von Mecklenburg-Vorpommern beim Verbrennen von Kohle, Öl und Gas 26 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft gepustet. Heute sind es knapp 21 Millionen Tonnen. Und mit dem ehrgeizigen Klimaschutzprogramm will Günter Seidel (CDU), Umwelt- und Bauminister in Mecklenburg-Vorpommern, den jährlichen Ausstoß an Kohlendioxid noch einmal um 5,7 Millionen Tonnen senken. Im Jahr 2010 sollen an der Ostsee jährlich nur noch etwa 15 Millionen Tonnen des Treibhausgases in die Luft gehen.

Das meiste Kohlendioxid muß nach Seidels Plänen die Landwirtschaft sparen helfen. Fast vier Millionen Tonnen Kohlendioxid weniger sollen emitiert werden, indem mehr Energie aus nachwachsenden Rohstoffen und Biogas gewonnen wird. Auf einem Zehntel ihrer Flächen müßten die Landwirte an der Ostsee demnach für den Klimaschutz anbauen.

Die restlichen knapp zwei Millionen Tonnen des Verminderungsziels kratzt Seidel mit Sparanstrengungen hier und alternativen Energiequellen dort zusammen: Durch Energiesparlampen in öffentlichen Gebäuden könnten jährlich 36.000 Tonnen weniger Treibhausgas in die Luft geblasen werden, 7.500 Tonnen Verminderung würde allein die Erneuerung des Fernwärmenetzes bringen, immerhin acht Tonnen spart eine neue Musterschule und so fort – Kleinvieh macht eben auch Mist.

Doch ob das ehrgeizige Ziel, mit Holz, Biomasse und -gas in großem Stil Klimaschutz zu betreiben, erreichbar ist, hängt von der Wirtschaftlichkeitsrechnung ab.

Einstweilen nämlich muß der Umweltminister die Biomasse auf dem Weg zum Energiemarkt noch fördern und hoffen, daß Kraftwerksbetreiber und Landwirte ihm dabei helfen.

Die Stromversorger müssen erst einmal Kraftwerke bauen, die Holz oder Stroh schlucken. Pilotanlagen gibt es bislang nur wenige: In einem Bioheizkraftwerk in Hagenow wird die Infratec aus München ab dem 4. Juni 5.000 Tonnen Holz, zu 80 Prozent aus Abfällen und zu 20 Prozent von speziellen Brennstoffplantagen, verfeuern. Fünf Megawatt Strom produziert die 35 Millionen Mark teure Anlage, genug für das 12.000-Einwohner-Städtchen Hagenow. Außerdem liefert sie Prozeßwärme für einen angrenzenden Betrieb, der Kartoffeln verarbeitet, erklärt Andreas Franke, Geschäftsführer von Infratec. Die Kosten von 100 Mark für eine Tonne Biomasse könne man durch Stromverkauf alleine kaum reinholen, so Franke.

Vor allem beziehen die Westmecklenburgische Energieversorgungs AG (Wemag) aus Schwerin und die Hanseatische Energieversorgungs AG (Hevag) aus Rostock, die beiden dominierenden Energieunternehmen im Land, ihren Strom fast auschließlich aus den Braunkohlekraftwerken der Lausitz. „Erst auf dem freien Energiemarkt würde auch die Wende hin zur dezentralen Energieversorgung wahrscheinlicher“, meint Franke.

Für die Landwirte ist der Brennstoffanbau also noch Zukunftsmusik. Ihr Problem sind die Preise, die Grünzeug als Energieträger erzielt. Karsten Pellnitz, der sich für das Landwirtschaftsministerium um das Konzept und seine Umsetzung kümmert, sieht den grünen Tagebau deswegen noch nicht als Ersatz für die Kohle. „Der Anbau muß sich für die Landwirte rechnen. Ohne einen Klimabeitrag aus einer Steuer auf Kohlendioxid wird Biomasse in Deutschland nicht wettbewerbsfähig.“

Ohne Hilfe wird auch der Rest des Programms nicht steigen. Die 1,5 Milliarden Mark, die das ganze Konzept bis 2010 kosten soll, sind im Schweriner Landeshaushalt bislang nicht vorgesehen. Wenn's ums Geld geht, setzen die Landespolitiker nur auf Bonn.

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