■ Welt Weit Grönling: Immer noch im Telekoma
Eines der schönsten Spielzeuge, mit denen ich als Junge gespielt habe, war die Kinderpost. Ich tauschte den Kasten gegen ein Fahrtenmesser ein, das mir jemand zum Geburtstag geschenkt hatte. So vergaß ich manchen verregneten Nachmittag die Schulaufgaben und verbrachte die Zeit mit meinen kleinen Schwestern und ein paar Freunden, um Post zu spielen. Und ich war ein sehr bürokratischer Schalterbeamter – bis mir meine Mutter den Kasten wegnahm, weil ich angeblich immer die Tapete vollgestempelt habe.
Es gibt sie heute noch, die gelbbunten Kästen mit den Formularen, Stempeln und einem Schalter aus Pappe. Nur als das Fernmeldeamt ausgegliedert wurde und plötzlich „Telekom“ hieß, hat die Spielzeugindustrie gepennt. Bis heute gibt es keine Kinder-Telekom. Aber vielleicht ist das auch gar nicht nötig, denn was die Telekom (die echte) manchmal an den Tag legt, übertrifft die kindliche Phantasie bei weitem. Da erscheinen großformatige Anzeigen, auf denen das aus Eisblöcken geformte Wörtchen TEUER dahinschmilzt, wo doch jedes Kind weiß, daß sich die monatliche Rechnung seit der Tarifreform drastisch erhöht hat. Und nach der zitierten OECD-Studie sind in diesem Land nur die Tarife für Geschäftskunden günstig – die erhalten Rabatte und können die Mehrwertsteuer absetzen.
Die ebenfalls zitierte „öffentliche Meinung“ zu diesem Punkt wird jedoch vorwiegend von Privatleuten gebildet und steht in engem Zusammenhang mit den ganz normalen Tarifen. Jetzt gibt es auch Rabatte, die für Internet- Surfer und Kunden der Online- Dienste interessant sind. Aber wer in den T-Laden geht, eine halbe Stunde in der Schlange steht und dann das Formular für „CityPlus“ und „CityWeekend“ abgibt, muß durchaus damit rechnen, daß es niemals in der zuständigen Niederlassung ankommt. Ich habe das selbst erlebt und kann nur empfehlen, sich wirklich alles schriftlich bestätigen zu lassen.
An den Rabatten für private Kunden war die Telekom ohnehin nie sonderlich interessiert, sie kamen erst auf Druck des Gesetzgebers zustande. Auch bei Unstimmigkeiten mit der Rechnung verhält sich die Telekom immer noch wie die alte Postbehörde. Einwände werden erst nach intensivem Nachhaken zur Kenntnis genommen, und unabhängig vom vorgebrachten Sachverhalt erhält man als Antwort stets die gleichen Formbriefe. Als ob die niemand hätten, der in der Lage ist, einen zusammenhängenden Satz zu formulieren. Nein, die Kinderpost war schöner. Dieter Grönling
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