Naturnutzgesetz zum Umwelttag

■ Heute beschließt der Bundestag die Naturschutznovelle – die Umweltverbände hoffen auf das Nein des Bundesrats

Hannover (taz) – „Beschämend, ein Trauerspiel, ausgerechnet am Tag der Umwelt will die Bonner Koalition den Naturschutz demontieren“, mit solchen starken Worten hat die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn schon vorab die heutige Abstimmung im Bundestag bedacht. Dort soll die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, an der die Bundesregierung beinahe zehn Jahre gestrickt hat, endgültig verabschiedet werden. „Einen Freibrief für weiteres Artensterben“ nennen Umweltverbände wie der BUND die Gesetzesänderung. Danach würden die Kontrollmöglichkeiten der Naturschutzverwaltungen beschnitten, und statt der Naturschutzverbände sollen künftig die Naturnutzer mehr Mitspracherechte bekommen. Außerdem droht mehr Schutz von Natur praktisch unerschwinglich für die Länder zu werden.

So stehen die Chancen für ein Scheitern der Novelle im Bundesrat nicht schlecht, will doch die Bonner Koalition erneut die Länder erheblich zur Kasse bitten. Das neue Gesetz verteuert nämlich den finanziellen Ausgleich an Eigentümer von Grund und Boden in Schutzgebieten erheblich. Bisher zahlen die Länder in der Regel einen solchen Ausgleich nur dann an Land- und Forstwirte, wenn durch das Unter-Schutz-Stellen die bisherige Nutzung des Geländes eingeschränkt wird. Kein Geld erhält ein Bauer etwa, wenn die Naturschutzbehörde ihm nur aufgibt, sein Grasland auch in Zukunft nicht zum Acker umzubrechen, es also bei der bisherigen Nutzung zu belassen. Das neue Bonner Naturschutzgesetz wertet allerdings auch schon das Unter-Schutz-Stellen des Ist-Zustandes als ausgleichspflichtige Nutzungseinschränkung.

Diese neue Regelung soll rückwirkend für alle Gebiete gelten, die seit dem 30.6. 1990 geschützt wurden. Den Haushalten der Länder drohen insgesamt Belastungen in dreistelliger Millionenhöhe, vor allem im Osten, wo nach der Wiedervereinigung zahlreiche Schutzgebiete ausgewiesen wurden. Aber auch in Niedersachsen etwa käme durch die neue Ausgleichsregelung der weitere Schutz der Natur praktisch zum Erliegen. Nach Angaben des Umweltministeriums in Hannover hätte das Land an Grundeigentümer in bereits ausgewiesenen Schutzgebieten ein Mehrfaches seines gesamten Naturschutzetats zu zahlen.

Allen Pestiziden zum Trotz gilt auch nach dem neuen Gesetz die Land- und Forstwirtschaft nicht als Eingriff in die Natur, sofern sie einer „guten fachlichen Praxis“ entspricht. Im Zuge der Gesetzesnovelle soll zudem das „Bauen auf Kosten der Umwelt“ erleichtert werden, kritisiert der Naturschutzbund Deutschland. Nicht mehr die Naturschutzverwaltungen, sondern die kommunalen Bauverwaltungen selbst sollen künftig darüber entscheiden, welche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bei einer Versiegelung von Landschaft durch Neubaupläne notwendig sind. Ganz soll nun auf diesen Ausgleich verzichtet werden, wenn schon Fakten geschaffen sind, wenn also die Eingriffe schon vor der planerischen Entscheidung erfolgt sind. Jürgen Voges