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Angst vor zweiter Vertreibung

■ Bosnische Flüchtlinge demonstrierten am Vorabend der Innenministerkonfernz gegen Zwangsabschiebungen. Umsetzung des Dayton-Abkommens gefordert

„Deutsche Politiker fordern in China Menschenrechte ein. Sie sollten es in Berlin tun“, meinte Husein Hadziej von der bosnischen Kulturgemeinschaft. Weil hier durch die Politik der Innenverwaltung nach seiner Meinung die Menschenrechte der Flüchtlinge verletzt werden, demonstrierte er gestern zusammen mit etwa 3.000 bosnischen Bürgerkriegsflüchtlingen gegen Zwangsabschiebungen. Zur Demonstration, die vom Adenauerplatz zum Amtssitz von Innensenator Schönbohm (CDU) führte, hatten verschiedene antirassistische Organisationen am Vortag der heute stattfindenden Innenministerkonferenz aufgerufen.

Die Demonstranten forderten die konsequente Umsetzung des Dayton-Abkommens. „Wir wollen nach Hause – aber nicht, solange Kriegsverbrecher an der Macht sind“, erklärten sie auf einem Transparent. Aber es gab auch Wünsche nach einem Bleiberecht. Die zwölfjährige Dijana, die seit sechs Jahren in Berlin lebt, kann nicht einsehen, warum ihre Heimat irgendwo anders als hier sein sollte.

Die Proteste richteten sich gegen die rigide Art und den Zeitpunkt der Abschiebungen. Flüchtlinge aus heute serbisch besetztem Gebiet wissen nicht, wohin sie sollen. „Die bosnische Regierungszone ist jetzt schon überfüllt“, hieß es auf einem Transparent. Und auf einem anderen: „Erst aus Bijeljina vertrieben, jetzt aus Deutschland“. Aber auch „Wir bedanken uns für die freundliche Aufnahme in Deutschland“ war zu lesen. Die PDS-Flüchtlingspolitikerin Karin Hopfmann, die ihre Rede auf bosnisch vorlas, forderte von den Innenministern eine „grundlegende Kurskorrektur in der Rückführungspolitik“. Der bündnisgrüne Abgeordnete Ismail Kosan versprach den Demonstranten, die Berliner Opposition werde eine zweite Vertreibung nicht zulassen.

Die Organisation amnesty international übergab Schönbohm 4.500 Unterschriften mit der Forderung nach einem Abschiebestopp. Prominente Politiker wie der EU-Beauftragte für Mostar, Hans Koschnick, der Bosnien-Beauftragte des Bundestages, Freimut Duve, und Jacob Finci von der jüdischen Hilfsorganisation von Sarajevo verlangen in einem „Berliner Appell“ das Ende der Abschiebedrohungen. Eine Fortsetzung der massiven Abschiebepolitik würde die Lage vor Ort destabilisieren und die Flüchtlinge in menschliche Katastrophen stürzen.

Bereits im Vorfeld der Innenministerkonferenz hatten PolitikerInnen eine Kurskorrektur gefordert. Die Konferenz der Ausländerbeauftragten von Bund, Ländern und Kommunen hatte in der vergangenen Woche einstimmig eine Resolution angenommen, die einen Abschiebestopp für BosnierInnen aus dem Gebiet der heutigen Republik Srpska fordert. Diese Menschen dürften auch nicht, so heißt es in der Resolution, durch Druck zur „freiwilligen Ausreise“ gedrängt werden. Die 120 Beauftragten sprachen sich für ein weiteres Bleiberecht von etwa 60 Prozent der hier lebenden BosnierInnen aus.

Gestern beriet der Migrationsausschuß des Abgeordnetenhauses über die Forderung der Opposition nach einer Kurskorrektur gegenüber den Flüchtlingen. Die Beratung hielt bei Redaktionsschluß noch an. Marina Mai

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