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Wenn Elefanten sich paaren, leidet das Gras

Es gab Zeiten, da galten Arbeitsplätze bei Großbanken als so sicher wie der Goldschatz der Bundesbank. Die Zeiten sind vorbei. Durch Bankenfusionen werden Zehntausende der 475.000 Beschäftigten in der Branche ihre Jobs verlieren  ■ Von Hannes Koch

Wolfgang Rupf räumt auf. Der frisch gekürte Vorstand der Bankgesellschaft Berlin – seit Anfang des Jahres sitzt er auf dem Chefsessel – diktierte dem Betriebsrat unlängst, was seine Vorgänger nicht umzusetzen wagten. Rund 2.000 von 17.000 Stellen beim größten Geldhaus der Hauptstadt will Rupf bis Ende 1998 einsparen. Die von der Unternehmensberatung McKinsey ausgearbeitete Jobvernichtung gilt als Spätfolge eines großen Deals: 1994 wurden drei früher selbständige Institute zur Bankgesellschaft verschmolzen.

Kurz darauf entdeckten die Rationalisierer: Die MitarbeiterInnen in den Filialen der Landesbank und der Berliner Bank kümmern sich um dieselben Geschäfte. Von zwei alten Arbeitsplätzen braucht die neue Großbank deshalb nur noch einen.

Und schon steht die nächste Fusion an. Demnächst werden sich die Bankgesellschaft und die Norddeutsche Landesbank Hannover (NordLB) zum zweitgrößten Finanzinstitut nach der Deutschen Bank zusammenschließen. Und wieder stehen einst krisensichere Jobs auf der Abschußliste. Wie viele? Darüber haben die Vorstände angeblich noch nicht nachgedacht. Von der Aufsichtsratssitzung der Bankgesellschaft am gestrigen Abend und der heutigen Aktionärsversammlung erhoffen sich Gewerkschaften und Belegschaften nähere Auskünfte.

Bankgewerbe ist die Stahlindustrie der 90er

Die Stellenstreichungen im norddeutschen Bankgewerbe sind kein Einzelfall. Hartnäckig halten sich Gerüchte über weitere Konzentrationen in der Oberliga der bundesrepublikanischen Finanzinstitute. So wird über einen Verbund von Dresdner Bank und Bayerischer Hypo, von Commerzbank und Münchner Vereinsbank spekuliert. Zwar dementieren die Vorstände allseitig, doch klar ist: Sollten die Großfusionen stattfinden, werden sie wie ein Katalysator wirken im bereits laufenden Prozeß des radikalen Jobabbaus im Finanzwesen. Ulrich Cartellieri vom Vorstand der Deutschen Bank formuliert bündig: „Das Bankgewerbe ist die Stahlindustrie der 90er Jahre“. Die Stahlkonzerne sparten in den 80er Jahren Hunderttausende von Malochern ein. Anfang 1994 prognostizierte die Unternehmensberatung Arthur D. Little, daß binnen der nächsten Jahre rund 100.000 Jobs oder 15 Prozent der Gesamtbeschäftigung des bundesdeutschen Bankwesens von heute rund 475.000 tarifgebundenen Arbeitsplätzen wegfallen würden. Ein Teil davon ist bereits gestrichen – bei der Deutschen Bank allein 8.000. Doch die möglichen Fusionen hatte Little noch gar nicht einkalkuliert. So sieht der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Deutschen Bank, Hagen Findeisen, voraus: „Wenn es zur großen Fusionswelle kommt, rappelt es richtig im Karton.“ Glänzende Augen bekommen Bankvorstände, wenn sie an mögliche Rationalisierungen in den Filialen denken, die die KundInnen versorgen. So hat die Westdeutsche Landesbank ausgerechnet, daß bei einem Zusammengehen der Hypo- und der Vereinsbank, einer weiteren Variante des Fusionspokers, „in Bayern 25 Prozent der Filialen und 20 Prozent des Personals überflüssig werden könnten“. Schließen sich andere Institute an, könnte die Zahl der Stellen leicht unter 400.000 sinken.

Ohnehin meinen Bankspezialisten, daß die Bundesrepublik im Vergleich zu ihren Nachbarländern mit einem zu dichten Filialnetz überzogen sei. An manchen Kreuzungen in den Städten finden sich gleich vier Niederlassungen verschiedener Institute , die sich gegenseitig die KundInnen abjagen. Würden zwei bislang konkurrierende Filialen zusammengelegt, sänken die Personalkosten auf 60 bis 70 Prozent.

Wo außerdem gespart werden kann, machen demnächst die NordLB und die Bankgesellschaft Berlin vor. Die Landesregierungen in Hannover und Berlin haben der Absicht zugestimmt, die Bereiche Investmentbanking, Großkunden- und Auslandsgeschäft in einer gemeinsamen Holding zu vereinen. Auch das kostet Stellen.

Der Euro macht so manche Stelle überflüssig

Freilich gilt die Konzentration der Unternehmen nicht als einzige Triebkraft der Rationalisierung. Während in der Vergangenheit schon Geldautomaten und elektronische Buchungssysteme MitarbeiterInnen ersetzten, kommt bald noch ein Element hinzu: „Der Euro wird den internationalen Zahlungsverkehr erheblich vereinfachen und zu Personalabbau führen“, sagt Uwe Spitzbarth, Sekretär der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) in Düsseldorf.

Tausende von BankerInnen beschäftigen sich gegenwärtig noch damit, Mark in Peseten, Franc und Pfund umzurechnen und den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr von Unternehmen zu organisieren. Wenn ein spanischer Exporteur die Zahlung des deutschen Importeurs jedoch einfach auf einem hiesigen Eurokonto gutschreiben lassen könnte, müßten die Banken keine Devisen mehr beschaffen und würden mit den umständlichen Hin-und-her-Überweisungen auch das Personal dafür einsparen.

So stimmt HBV-Sekretär Spitzbarth im Prinzip der griffigen Analogie des Deutsch-Bankers Cartellieri zu. Bei den Banken sei es heute wie bei der Stahlindustrie früher – mit einer Einschränkung: „Während der Krise der vergangenen Jahre haben die Banken üppigst verdient. Sie schwimmen im Geld. Und trotzdem vernichten sie Arbeitsplätze.“

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