: Kein Geld für sauberes Wasser
Die Sanierung des Grundwassers läuft schleppend. Verursacher sind oft nicht zu überführen, Kommunen und Bund aber müssen sparen ■ Aus Köln Detlef Stoller
Zwei Drittel des Trinkwassers stammen aus Grundwasser, dessen Schutz ist daher dringlich. Das Wasserhaushaltsgesetz setzt strenge Maßstäbe, doch in der Realität sieht es mit der Vorsorge schlecht aus. 300.000 Tonnen Nitrat aus der Landwirtschaft gelangen jährlich über das Grundwasser in die Nordsee – die Hälfte des Gesamteintrags. Für einen besseren Schutz muß Jens Jedlitschka von der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (Lawa) nicht nur gegen die kleinen und großen Brunnenvergifter kämpfen, sondern auch gegen den Bund. Der Treuhandanstalt als Bundesbehörde fielen mit der Wiedervereinigung all die Altlasten aus der ehemaligen DDR zu. Die fünf neuen Länder haben mit 88.000 altlastverdächtigen Flächen den Westen lässig überholt. Die rücksichtslose Landnutzung der DDR hat deutliche Spuren hinterlassen.
Die Treuhand, die in die Verantwortung für die ehemaligen Staatsgrundstücke trat, sah schon eine riesige Kostenlawine über sich hereinbrechen. Sie wählte die Flucht nach vorn: Ein juristischer Trick sollte die Bundesbehörde aus der Sanierungspflicht nehmen. Flugs wurde ein Gutachten bei Jürgen Salzwedel, ehemaliger Professor für öffentliches Recht der Universität Bonn, bestellt. Es sollte mit der Vorsorgepflicht aufräumen. „Mit allgemeinen Aussagen, daß Grundwasser möglichst anthropogen unbeeinflußt oder für die Wasserversorgung nach der Trinkwasserverordnung verwendungsfähig ist, ist es nicht getan“, schrieb der Rechtsanwalt im Juli 1994 auftragsgemäß ins Treuhand- Gutachten. Salzwedel forderte, daß die Behörden Pläne aufstellen, in denen sie darlegen, welche Grundwasservorkommen sie zu welchem Zwecke nutzen. Daraus lasse sich dann der Sanierungsbedarf ableiten. Die Lawa lehnt das Salzwedel-Konzept ab: „Damit wäre es in Zukunft nicht mehr möglich, neue Grundwasserressourcen für künftige Generationen als Trinkwasser zu nutzen“, schimpft Lawa-Mann Jens Jedlitschka. Fraglich ist jedoch, wie lange die Phalanx der Länder noch steht. Denn an den Altlastensanierungen in den fünf neuen Ländern sind die Länder finanziell mitbeteiligt.
Ähnlich geht es dem Berliner Senat: Der hatte plötzlich mit der Wiedervereinigung auch die Verantwortung für die Trinkwasserqualität in den Ostberliner Stadtteilen. Eine Bestandsaufnahme zeigte: Mehrere der Trinkwasserbrunnen waren von Schadstoffen aus Altlasten akut gefährdet. Im Großprojekt „Industriegebiet Spree“ hat der Senat 353 kontaminierte Grundstücke und Verdachtsflächen ermittelt und die gefährlichsten Altlasten bereits gesichert. Dabei trägt etwa zehn Prozent der Kosten der jeweilige Eigentümer, vom Rest trägt drei Viertel der Bund, ein Viertel der Senat. Viele Millionen wurden bereits in die Altlastensicherung gepumpt, ein Ende ist nicht abzusehen. Ursprünglich waren 1,5 Milliarden Mark für die gesamte Sanierung eingeplant. Heute will Jens Naumann von der Berliner Umweltverwaltung mit der Hälfte auskommen: „Damit stellen wir natürlich nicht die ursprüngliche Sauberkeit des Grundwassers wieder her, sondern wir betreiben Gefahrenabwehr, mehr nicht.“
Im Westen passiert in aller Regel noch weniger. Das hat vor allem juristische Gründe: Die für einen Grundwasserschaden Verantwortlichen – die sogenannten Störer – wehren sich vehement gegen behördliche Anordnungen. „Die Maßnahmen müssen gegen den Widerstand des Störers angeordnet und erzwungen werden“, klagt Dr. Thomas Ertel von der Umweltwirtschaft GmbH in Stuttgart, „da sind Jahrzehnte zur Fallbearbeitung zu veranschlagen.“ Denn die Behörde muß dem Eigentümer einer Altlast oder dem Betrieb zweifelsfrei nachweisen, daß die Grundwasserverschmutzung von seinem Boden ausgeht.
Insgesamt 2,5 Millionen Mark hat das Land Baden-Württemberg für das Projekt Neckartalaue bereitgestellt, dem Versuch einer vollständigen Bestandsaufnahme der Grundwasserschäden. Im Neckartal, Baden-Württembergs ältestem Industriegebiet, wird seit 1840 produziert. Hier befinden sich Industriealtlasten wie auf einer Perlschnur. Ein enges Meßnetz soll nun die anteiligen Grundwasserschäden erfassen, sowohl von Altlasten als auch von aktiven Betrieben. Durch Langzeitmessungen erfaßt Geologe Ertel die Bewegung des Wassers im Boden. Mit diesen Beweisen hofft die Stadt, den Eigentümern und Verursachern die Klagefreude zu nehmen, um die Gefahren schnell zu beseitigen. Denn der Druck ist enorm, da ein großer Teil der 3,3 Kilometer langen Flußaue im Wassereinzugsgebiet der Heilquellen von Bad Cannstadt und Berg liegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen