: Ernste Lehrstellenkrise
■ SPD und DGB für Ausbildungsgesetz. 320.000 Jugendliche suchen Lehrstelle
Bonn (dpa) – Nach dem erneuten Rückgang des Lehrstellenangebotes haben SPD und DGB gestern ihre Forderung nach einem Ausbildungsgesetz bekräftigt. Die SPD-Bundestagsfraktion will jetzt nach der Sommerpause einen Gesetzentwurf einbringen, der einen finanziellen Lastenausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben sicherstellen soll, kündigte ihr Bildungspolitiker Günter Rixe an. Derzeit bildeten nur noch weniger als 30 Prozent aller Betriebe und Verwaltungen aus. Die übrigen 70 Prozent profitierten aber von den ausgebildeten Fachkräften, sagte Rixe.
Noch fast 320.000 Jugendliche suchten Ende Mai nach einer Lehrstelle, bestätigte der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda. Für sie gibt es nur noch rund 135.300 freie Plätze. Das neue Ausbildungsjahr beginnt am 1. September. Auf zwei unbesetzte Lehrstellen kommen derzeit fünf Bewerber. Wirtschaft und Verwaltungen hatten den Arbeitsämtern bis Ende Mai erneut weniger Lehrstellen als im Vorjahr angeboten, insgesamt 28.000 oder 5,3 Prozent. Gleichzeitig gab es 7,4 Prozent mehr Bewerber.
Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) forderte einen „kräftigen Schub“ für mehr Lehrstellen. Rixe meinte dagegen, alle bisherigen Zugeständnisse an die Wirtschaft hätten keine zusätzlichen Lehrstellen gebracht. So seien der Jugendarbeitsschutz gelockert, die Ausbildungskosten gesenkt und der Berufsschulunterricht flexibel organisiert worden. Dennoch würden die Betriebe weiter Lehrstellen abbauen. DGB- Vorstandsmitglied Regina Görner sprach von einer „absolut deprimierenden“ Entwicklung. Immer mehr Arbeitgeber entzögen sich ihrer Ausbildungspflicht und wälzten die Verantwortung auf die öffentliche Hand ab. „Das ist die schleichende Verstaatlichung der beruflichen Bildung.“ Dagegen helfe nur ein Umlagegesetz, mit dem die Finanzierungsverantwortung der Wirtschaft wiederhergestellt werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen