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Österreichs Polizei kann seit kurzem häusliche Randalierer ohne Richterbeschluß sieben Tage aus ihrer Wohnung verbannen und ihnen die Schlüssel abnehmen. Die Täter sind empört, Frauen erleichtert: "Uraltes patriarchales Recht ist angegriffe

Österreichs Polizei kann seit kurzem häusliche Randalierer ohne Richterbeschluß sieben Tage aus ihrer Wohnung verbannen und ihnen die Schlüssel abnehmen. Die Täter sind empört, Frauen erleichtert: „Uraltes patriarchales Recht ist angegriffen“

Schluß mit der Schlüsselgewalt

Das Übergangswohnheim im österreichischen Krems hat einen neuen Klienten. Werner K. wurde aus seiner ehelichen Wohnung ausquartiert. Bei einem Streit mit seiner Frau – es war nicht der erste – hatte er die Kaffeemaschine zertrümmert. Als ihn die Ehefrau rauswarf, schlug der 45jährige Arbeitslose die Scheibe der Eingangstür ein, um sich wieder Zutritt zu verschaffen. Die nebenan wohnende Schwägerin rief die Polizei. Die Beamten verboten ihm, nach Hause zurückzukehren. Eine Woche lang. Werner K. versteht das nicht. Den Kindern hätte er doch nie etwas getan, beteuert er.

Werner K. ist einer der ersten Betroffenen des sogenannten „Wegweiserechts“, das am 1. Mai in Österreich in Kraft trat. Wenn die Polizei zu einem Fall häuslicher Gewalt gerufen wird, muß sie gegen den Gewalttäter die Wegweisung verhängen. Es ist also kein Antrag des Opfers erforderlich. „Sonst sind wir nicht für die Zwangsbeglückung durch den Staat“, kommentiert Albin Dearing, Abteilungsleiter im Wiener Innenministerium, „aber in diesem Fall ist sie richtig.“ Der weggewiesenen Person – es müssen nicht unbedingt Ehemänner oder Lebensgefährten sein – werden die Schlüssel abgenommen. Sie darf noch ein paar persönliche Gegenstände einpacken und wird dann über Unterkunftsmöglichkeiten aufgeklärt. Bis zum Ablauf der Wegweisung oder deren gerichtlicher Aufhebung ist der Wohnbereich inklusive Stiegenhaus und Garage tabu. Die meisten kommen bei Freunden oder Verwandten unter. Aber auch die Obdachlosenheime der Caritas und öffentliche Notschlafstellen stehen als Alternative offen.

Allein in Wien wurden in den ersten drei Maiwochen 49 Männer von zu Hause weggewiesen. In der steirischen Landeshauptstadt Graz, Österreichs zweitgrößter Stadt, wurden bis 30. Mai vier Wegweisungen ausgesprochen. Zwei weitere Männer wurden wegen ihrer häuslichen Gewalt gleich in U-Haft genommen.

„Gewalt in der Familie ist ein Wiederholungsdelikt“

Dem Paragraphen 38a Sicherheitspolizeigesetz (SPG), der die Wegweisung von Gewalttätern vorschreibt, ist eine längere Diskussion vorangegangen. Schon 1994 befand nach einer Initiative der damaligen Frauenministerin Johanna Dohnal auch der Ministerrat, daß die Gesetzgebung zur Bekämpfung der familiären Gewalt unzureichend sei. Die Forderung der Frauengruppen, daß wiederholte Körperverletzung ein zwingender Haftgrund würde, fand zwar den Beifall der Polizei, stieß aber auf den Widerstand der Strafrechtler. Rosa Logar, die Leiterin der „Aktionsgemeinschaft der autonomen österreichischen Frauenhäuser“: „Gewalt in der Familie ist ein Wiederholungsdelikt. Wir wollten Maßnahmen, die Menschen sofort daran hindern, anderen Gewalt anzutun.“ Schließlich bot die Polizei an, derartige Maßnahmen im Rahmen des Sicherheitspolizeigesetzes zu verankern. Diese Lösung setzte sich durch – trotz veschiedentlich geäußerter Bedenken, die Regelung verstoße gegen die Grundrechte. „Glücklich sind wir damit nicht, denn wir müssen als Rechtslaien richterliche Funktionen wahrnehmen“, seufzt Hauptmann Harald Wieshofer von der Wiener Polizei.

Wegweisungen hat es schon früher gegeben, allerdings nur von öffentlichen Plätzen, nicht aus dem häuslichen Intimbereich. Die meisten Männer finden es empörend, aus „ihrem“ Haus oder gar Hof vertrieben zu werden. Rosa Logar: „Ein uraltes patriarchales Recht ist angegriffen.“

Wer das Rückkehrverbot verletzt, wird bestraft

Die Befürchtung, daß jeder zweite sich der Wegweisung tätlich widersetzen würde, erwies sich nach ersten Erfahrungen als unbegründet. In Wien wurden nur fünf oder sechs Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewalt gemeldet. Wer das Rückkehrverbot verletzt, kann eine Verwaltungsstrafe von umgerechnet 700 Mark aufgebrummt bekommen. Eine Abschreckung ist dies nur für die Gelegenheitstäter. Auf Antrag der gefährdeten Person kann ein Richter die Wegweisung um sieben Tage verlängern. Dann muß das Familiengericht entscheiden und allenfalls eine einstweilige Verfügung erlassen, die dem Täter Rückkehr für drei Monate untersagt.

Die im Zusammenhang mit der neuen Gesetzgebung geschaffenen Interventionsstellen werden von Christa Stromberger im Frauenministerium als „Drehscheiben für die von Gewaltfällen betroffenen Personen und Institutionen“ definiert. Sie sollen die Zusammenarbeit von Gerichten, Opfern und Polizei verbessern und koordinieren. Doch diese „Clearing“-Stellen befinden sich erst im Aufbau. Bisher ist nur das Büro in Graz eingerichtet. Vorbild für das Projekt ist das 1980 geschaffene „Domestic Abuse Intervention Program“ (DAIP) in Duluth, Minnesota, ein umfassendes System gegen häusliche Gewalt, das sich gleichermaßen für das Wohlergehen der Opfer als auch die Bekehrung der Täter interessiert. Ralf Leonhard, Wien

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