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Autoritär und hilflos

Kabilas Regierung im Kongo tut sich schwer – vor allem mit ihren Gegnern, und die werden mehr  ■ Von Dominic Johnson

Man kann nicht gerade behaupten, daß die Regierung von Laurent Kabila im Kongo (Ex- Zaire) die Bevölkerung einschüchtert. Als in der Hauptstadt Kinshasa am letzten Freitag wieder einmal 1.000 Studenten gegen den Ausschluß des Oppositionsveteranen Etienne Tshisekedi aus Kabilas Kabinett demonstrierten, schickte die Regierung trotz des geltenden Demonstrationsverbots gerade mal zwei Soldaten. Als die dann in die Luft schossen, nahmen die Studenten ihnen kurzerhand die Gewehre ab.

Davon ermutigt, demonstrierten die Studenten am Montag noch einmal – und verhinderten damit sogar die geplante Kabinettssitzung. Innenminister Kongolo Mwenze eilte an den Ort des Geschehens und improvisierte eine zornige Rede. „Ihr seid nicht wichtiger als der Rest des Landes!“ rief er. „Die Mehrheit in diesem Land wünscht sich eine stabile Regierung. Aber ihr – ihr seid dagegen, weil ihr manipuliert werdet von Politikern, die euch jahrelang nichts gegeben haben, absolut nichts, die euch Tag und Nacht dem Tod ausgesetzt haben und die selber gut bezahlt und gut geschützt waren und nie ihre Häuser verließen. Heute setzt ihr für sie euer Leben aufs Spiel! Nun denn, da ihr euch dazu entschlossen habt, werden wir die angemessenen Maßnahmen ergreifen.“ 20 Studenten wurden festgenommen.

Solche Szenen sind symptomatisch für die Mischung aus Autoritarismus und Hilflosigkeit, mit der Kabilas „Allianz Demokratischer Kräfte für die Befreiung von Kongo/Ex-Zaire“ (AFDL) regiert. Da die versprochenen großen Wiederaufbauprojekte naturgemäß auf sich warten lassen, sucht sie vor allem Prestige mit der bewußten Rückwendung auf die 60er Jahre, als Mobutus Zaire noch nicht existierte. Ende letzter Woche wurde Juliane Lumumba, Tochter des 1961 ermordeten kongolesischen Unabhängigkeitshelden Patrice Lumumba, zur Vize-Informationsministerin ernannt. Lumumbas UN-Botschafter, Thomas Kanza, wurde Minister für Internationale Zusammenarbeit. Diese beiden Lumumba-Veteranen werden nun wohl die Hauptansprechpartner für das Ausland in Kinshasa sein.

Nach innen hat die Regierung vor allem ein Problem: die Größe des Landes. Aufmerksamkeit für einem Bereich bedeutet Vernachlässigung eines anderen. So versprach Wirtschaftsminister Mwanananga Mawampanga vor einer Woche, Ende Juni die Beamtengehälter wieder zu zahlen. „Das ist eine absolute Priorität“, sagte er. „Wir haben leere Staatskassen vorgefunden. Aber wir werden irgendwie klarkommen. Wir haben Geld gefunden, es gibt ja Geld in diesem Land.“ Damit meinte er vielleicht die Angestellten der Privatbetriebe, die, so sagte er, Gehaltskürzungen zwischen fünf und 35 Prozent hinnehmen müßten.

Auch im politischen Bereich wird deutlich, daß die noch sehr junge und wenig organisierte AFDL mit einem der größten und komplexesten Länder Afrikas Probleme hat. In der nordwestlichen Urwaldprovinz Equateur halten sich ruandische Hutu-Milizen und Mobutu-Soldaten. Der Osten des Kongo an der Grenze zu Ruanda und Burundi, wo der Konflikt im Herbst 1996 seinen Anfang nahm, kommt nicht zur Ruhe. Seitdem die AFDL-Regierung im April ihren Sitz in Goma in der Proivinz Nord-Kivu direkt an der ruandischen Grenze verließ, geriet die Region ins politische Abseits, und die militärischen Auseinandersetzungen zwischen den seit langem verfeindeten Völkern der Region nehmen zu. Daran sind Tutsi-Soldaten der AFDL ebenso beteiligt wie Hutu- Milizionären und die „Mayi- Mayi“-Bünde anderer lokaler Ethnien. Mitte Mai wurde nach einem US-Pressebericht der Militärkommandeur der Region abgesetzt. „Jede Armee muß das Gesetz beachten“, erklärte Vizegouverneur Valentin Tussibamwe. „Daher haben wir jetzt einen neuen Mann. Die Gegend braucht Disziplin.“

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR stellte seine Arbeit in Goma am 3. Juni teilweise ein. Nicht besser ist die Lage in der Nachbarprovinz Süd-Kivu. Das UN-Welternährungsprogramm WFP meldet schwere Spannungen um die Stadt Uvira an der Grenze zu Burundi. Örtliche Quellen legen nahe, daß in Uvira Tutsi-Soldaten der AFDL Gewalt gegen Zivilisten anwenden, während auf den Überlandstraßen Milizen anderer Gruppen Überfälle verüben. Am 26.Mai töteten AFDL-Truppen in Uvira mehrere Dutzend Demonstranten, nachdem eine aufgebrachte Menge die Leichen von zehn zuvor umgebrachten Menschen vor die Haustür eines örtlichen Verwalters gelegt hatte. Seit Monaten kämpfen in Süd-Kivu bewaffnete Gegner der AFDL, die zum Teil unter Mithilfe burundischer Hutu-Rebellen die alten Ressentiments von Teilen der Bevölkerung gegen die Banyamulenge-Tutsi ausnutzen.

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