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Durch Direktwahl zu neuer Macht

■ Serbiens Präsident Milošević will Staatschef Jugoslawiens werden. Die Chancen sind gut. Die Opposition ist zerstritten

Wien (taz) – Mit einem neuen Schachzug versucht Serbiens Präsident Slobodan Milošević seine Macht zu festigen – zum Ärger der zerstrittenen Opposition. Obwohl in Rumpf-Jugoslawien, bestehend aus den Republiken Serbien und Montenegro, erst Ende des Jahres ein neues Parlament und ein neuer Präsident gewählt werden, befindet sich Belgrad seit Wochenbeginn im Wahlkampf. Grund ist die Ankündigung Milošević', als Präsident Serbiens zurückzutreten und statt dessen in einer Direktwahl durch das Volk das bisher eher machtlose Amt als Präsident Jugoslawiens zu erringen.

Dieser Schritt kommt unerwartet. Denn längst sind für Milošević die täglichen Straßenhappenings vom vergangenen Winter ausgesessen. Damals hatte sich der Präsident geweigert, die Schlappe seiner Sozialistischen Partei anzuerkennen und an das Oppositionsbündnis Zajedno (Gemeinsam) die Macht in den Rathäusern abzugeben. Erst durch den Druck der Straße und die Drohung westlicher Regierungen mit Wirtschaftssanktionen lenkte Milošević ein.

Mit dem Abbruch der Straßenproteste und ersten Spaltungstendenzen im Bündnis Zajedno schien der Serbenpräsident erneut seine alte Machtfülle zurückgewonnen zu haben. Belgrads neuer Oberbürgermeister und Vorsitzender der „Demokratischen Partei“, Zoran Djindjić, hat bisher keines der brennenden Probleme wie Massenarbeitslosigkeit, Verelendung breiter Bevölkerungsschichten, Korruption und organisiertes Verbrechen, in den Griff bekommen. Die Hauptstadt wird nach wie vor von Mafia und Kriegsprofiteuren regiert, die staatlichen Strukturen haben sich aufgelöst. Schon fällt Djindjić' ehemalige Mitstreiter, der Schriftststeller und Führer der „Serbischen Erneuerungsbewegung“, Vuk Drašković, dem Bürgermeister in den Rücken.

Obwohl der Präsident mit Hilfe der Staatsmedien, der Sonderpolizei, notfalls der Armee und des Geheimdienstes, eine Möglichkeit gefunden hätte, nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit im kommenden Dezember per Verfassungsänderung eine dritte Periode anzuhängen, entschied sich der Balkandespot für eine andere Lösung: Er will per Volkswahl Präsident Jugoslawiens werden, obwohl auch dafür die Verfassung geändert werden muß. Bisher kann der jugoslawische Präsident nur von den Abgeordneten der beiden Republikparlamente bei paritätischer Stimmenauszählung gewählt werden.

Milošević' Berater scheinen erkannt zu haben, daß in Montenegro die Opposition bei den kommenden Wahlen eine Mehrheit erringen könnte und auch im serbischen Parlament die Sozialisten voraussichtlich nur knapp die Mehrheit stellen werden. Um die alten Machtstrukturen nicht zu gefährden, bemüht sich das Regime, Kompetenzen von den Republiken auf den Bundesstaat umzulagern und das Amt des Bundespräsidenten auszubauen. Dieser Schachzug kann jedoch nur gelingen, solange sich die beiden Oppositionsführer Djindjić und Drašković bekämpfen. Derzeit sind beide eher bereit, gegeneinander für das Amt des Bundespräsidenten anzutreten, als für den anderen das Feld zu räumen und ihn bei der entscheidenden Schlacht gegen Milošević zu unterstützen. Bei diesem Spiel gewinnt der alte Fuchs Milošević. Karl Gersuny

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