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Mehr als nur Almosen

■ SPD fordert einen Grundbetrag für alle Jugendlichen in der Ausbildung

Berlin (taz) – Wer in die Lehre geht oder studiert, soll in Zukunft mindestens 450 Mark im Monat bekommen – aus der Staatskasse und direkt auf das eigene Konto. Das forderte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rudolf Scharping gestern in Bonn. Noch für diesen Sommer kündigte er einen Gesetzentwurf an, der die Ausbildungförderung völlig neu regelt.

Gestrichen werden soll nach diesem Vorschlag die Ausbildungsförderung über Kindergeld und Kinderfreibeträge. Statt dessen könne man einen einheitlichen Grundbetrag auszahlen. Den sollten Jugendliche für Studium oder Lehre unabhängig vom Verdienst der Eltern bekommen. Je nach Art der Ausbildung und Einkommen der Familie könne man auf diesen Sockelbetrag dann weitere Zuschüsse draufsatteln. Bei Studierenden wäre das ein darlehensunabhängiges Bafög; bei Lehrlingen könnte der Grundbetrag mit dem Lehrgeld verrechnet werden.

Von einem runderneuerten System der Ausbildungsförderung verspricht sich die SPD mehr Gerechtigkeit. Denn das alte Modell benachteilige Familien mit geringem Einkommen. Wer wenig verdiene, genieße kaum Steuervergünstigungen. Wer dagegen in einer höheren Steuerklassen eingestuft sei, könne durch den Kinderfreibetrag bis zu 50 Prozent seiner Abgaben sparen.

Daß im nächsten Jahr voraussichtlich 300.000 Lehrstellen fehlen werden, führte Scharping auch auf die ungleiche Finanzierung von Hochschulstudium und gewerblicher Ausbildung zurück. Es sei „völlig unverantwortlich“, daß Firmen, die ihrer Ausbildungsverpflichtung nicht nachkämen, noch öffentliche Aufträge erhielten.

Ein umfassende Ausbildungsreform forderten auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, das Deutsche Studentenwerk und die Hochschulrektorenkonferenz. Als 1972 das Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) eingeführt wurde, seien noch 45 Prozent aller Studenten gefördert worden. Heute bekämen nur noch 15 Prozent aller Hochschüler staatliche Unterstützung. Daß nur noch Kinder reicher Eltern studieren, müsse verhindert werden, sagte Christdemokratin Regina Börner vom DGB-Bundesvorstand. bull

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