■ Berlin: Zahl der Love-Parade-Gegner wächst weiter: „Wir werden den Techno spalten!“
Berlin (taz) – Muß die Love Parade endgültig abgesagt werden? In Berlin formiert sich derzeit erbitterter Widerstand gegen das Techno-Spektakel – und zwar von allen Seiten. Waren es bisher nur Umweltschützer, die aus Sorge um den Tiergarten eine neue Route für die Love Parade forderten, so haben sich in dieser Woche zwei weitere Bündnisse gebildet, die weltweit größte Techno-Party zu verhindern: Autonome und Harmoniker.
Unabhängig voneinander stehen bei beiden Gruppen nicht etwa Blumen, Büsche und Bäume oder gar die verstörte Vogelwelt im Vordergrund, sondern das Kulturerbe: „Durch Techno-Musik wird die Jugend entpolitisiert“, kritisieren Autonome in einem Schreiben, das zur Zeit in den Bezirken Kreuzberg und Prenzlauer Berg kursiert. Verwerflich sei vor allem der „hohe Anteil von Instrumentalmusik bei Techno“, hieß es auf einem „Vorbereitungstreffen 12.Juli“. Ohne Liedtexte zum Mitsingen würden Jugendliche nicht „zum Nachdenken über das Schweinesystem“ angeregt.
Ums Nachdenken geht es auch den neu hinzugekommenen Love-Parade-Gegnern aus dem Umfeld des Klarinettisten Herbert Späth. Späth, Mitglied der Berliner Philharmoniker, will die Love Parade nicht nur auf eine andere Strecke, sondern auf einen völlig neuen Kurs bringen. „Techno tötet das musikalische Empfinden“, erklärt der 45jährige. „Selbstverständlich“ brauche der Mensch Musik, „aber eben wirkliche, harmonische Töne“. Unterstützt von seinen Orchesterkollegen will Herbert Späth daher am 12. Juli mit einer eigenen Parade antreten. In kleinen Gruppen sollen „ausgebildete Musiker“ von verschiedenen Wagen herunter klassische Musik unter das Techno-Volk bringen. „Wir werden Mozart spielen“, sagt Späth, „und sicherlich auch Sibelius.“ Zusätzlich sei Luciano Pavarotti angefragt. „Wir wollen möglichst viele Anhänger der Klassik auf die Straße bringen“, erklärt Herbert Späth, „denn das sind ja gar nicht wenige.“ Berlin müsse der Welt beweisen, daß es den Titel „Kulturmetropole“ verdiene. Die Classic Parade soll vom Gendarmenmarkt aus aufbrechen und am frühen Nachmittag auf die wummernde Konkurrenz treffen. „Mitten hindurch, um ein Zeichen zu setzen“, will Späth seine Klassik- Wagen führen, „wir werden den Techno spalten.“ Sorgen, sich nicht gegen die Lautstärke der Techno- Anlagen durchsetzen zu können, hat er nicht. Auch die Classic Parade werde auf elektronische Verstärkung setzen und „die Regler hochdrehen“. Die Musik aber, so Späth, „wird immer noch mit der Hand gemacht“. Kuzmany/Rönneburg
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