piwik no script img

14 Jahre für Sprengung der „Lucona“

Wegen Beihilfe zum sechsfachen Mord und Versicherungsbetrugs wurde Hans Peter Daimler zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Richter lobte kooperative Verteidigung  ■  Aus Kiel Simone Siegmund

Das Kieler Landgericht hat gestern einen Schlußstrich unter eine der größten Kriminal- und Politaffären der vergangenen Jahrzehnte gezogen. Wie erwartet sprach die VIII. Große Schwurgerichtskammer den 62jährigen Hans Peter Daimler der Beihilfe zum sechsfachen Mord, des sechsfachen Mordversuchs, der Herbeiführung einer lebensgefährdenden Sprengstoffexplosion und des versuchten Versicherungsbetrugs für schuldig. Das Gericht verhängte eine 14jährige Haftstrafe.

Es sah als erwiesen an, daß der ehemalige Kaufmann Daimler dem Österreicher Udo Proksch zur Seite stand, als der 1977 den Frachter „Lucona“ sprengte, um für eine angeblich wertvolle Ladung über 31 Millionen Franken von einer Versicherung zu kassieren. Der Angeklagte nahm den Urteilsspruch gestern so gut wie unbewegt zur Kenntnis, schüttelte bei den Ausführungen des Gerichts nur ab und zu den Kopf. Beim Untergang der „Lucona“ im Indischen Ozean waren vor 12 Jahren sechs der zwölf Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen. An Bord des Schiffs befand sich nach Ansicht des Gerichts keine hochversicherte Uran-Wiederaufbereitungsanlage, sondern nur ein Haufen schrottreifer Teile einer alten Kohleaufbereitungsanlage.

Wegen sechsfachen Mordes ist der 63jährige Udo Proksch bereits 1992 in Österreich zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Die Begründung des Urteils erschütterte damals das politische Leben des Landes. Im Zusammenhang mit der Affäre traten in Österreich der Nationalratspräsident Leopold Gratz und Innenminister Karl Blecha zurück. Denn der Verurteilte Udo Proksch, ehemaliger Besitzer der berühmten Wiener Konditorei Demel, galt als schillernde Figur in Österreich und pflegte Kontakte zu zahlreichen Persönlichkeiten in Politik und Wirtschaft.

Geld von der Versicherung haben Proksch und Daimler nie gesehen. In der mehrstündigen detaillierten Urteilsbegründung stellte die Kammer fest, daß Proksch die zentrale Figur des Versicherungsbetrugs gewesen sei. Er hatte den Plan für die Tat entworfen. Bei der Ausführung sei der Industrie-Designer allerdings auf die Hilfe von Hans Peter Daimler mit seinen Kenntnissen aus dem kaufmännischen und technischen Bereich angewiesen gewesen. Von Anfang an sei Daimler in den Versicherungsbetrug eingeweiht gewesen, befand das Gericht. Daimler habe Sekretärinnen für eine Briefkastenfirma eingestellt, sei bei der österreichischen Versicherung als Vizepräsident eben jener Firma aufgetreten und habe den Transport des Schrottgeschäfts organisiert.

Bei der Urteilsbegründung ließ es sich der Vorsitzende Richter Uwe Martensen nicht nehmen, große Erleichterung aller Beteiligten über das Ende des Prozesses festzustellen. Lob gab es auch für die Verteidigung, die nicht um des Streitens willen gestritten habe, der Kammer Daten zur Verfügung stellte und selbst Fakten zur Ermittlung beigetragen habe.

So ist es sicher auch der fünfjährigen kooperativen Zusammenarbeit zu verdanken, daß das Urteil schon Tage vorher feststand. Die Staatsanwaltschaft hatte auf lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes plädiert. Einer der vier Verteidiger, Gerald Goecke, räumte nach dem Urteil ein, daß der Richterspruch Ergebnis einer Verständigung mit dem Gericht sei. Um Daimler nicht nur als Gehilfe, sondern revisionssicher als echten Mittäter eines mörderischen Versicherungsbetrugs zu überführen, hätte das Gericht noch mindestens zwei Jahre weiterverhandeln müssen.

Anwalt Wolfgang Kubicki sagte, nur unter dem Aspekt eines schnellen Endes des Prozesses sei das Urteil zu akzeptieren und zu respektieren. Angesichts des Alters des Angeklagten habe es keinen Sinn gemacht, wenn in fünf oder sechs Jahren der Bundesgerichtshof Daimler für unschuldig erklärt hätte. Kubicki rechnet damit, daß Daimler, der seit 1991 in Untersuchungshaft sitzt und als Mustergefangener gilt, in anderthalb bis drei Jahren auf freiem Fuß sein wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen