Kasper Kohl

■ Mathias Richling eröffnete das Kabarettfestival auf Kampnagel

Mit einer Strauß-Imitation aus dem Off, die dem Publikum nicht nur Videoaufnahmen sondern auch den Verzehr „kleiner Salate“ untersagte, eröffnete Mathias Richling am Dienstag auf Kampnagel das 9. Kabarett-Festival. Damit hatte der schwäbische Hektiker die Lacher gleich am Anfang seines neuen Programms Wer einmal lügt, dem Richling auf seiner Seite.

Und das Publikum ging mit bis zur dritten Zugabe. Obwohl Mathias Richling schon schärfere Satiren geliefert hat. Sicher, von den Bonner Polit-Kaspern fand keiner Gnade vor seiner spitzen Zunge, nur die bösen Banalitäten des Alltags, die er so unnachahmlich auf die Spitze treiben kann, sie sind seltener geworden.

Das Riesenbett, in dem sich Richling jahrelang fläzte, ist verschwunden. Stattdessen läuft er jetzt auf einer kleinen Rampe auf und ab, stellt Ventilatoren und Gebläse an, bis sich seine Hessin im roten Schal verschnupft zurück zieht, und klettert auf Leitern, um Scheinwerfer zu betätigen. Zwischendurch läßt Richling sich, erschöpft vom ewigen Hin und Her auf einem Melkschemel nieder, den er auch schon mal mitnimmt, wenn es ihn wieder in die Vertikale drängt. Immer noch gestikuliert der Schwabe wild mit den Armen, aber er ist ruhiger geworden. Die enervierende Hektik, die er früher erzeugt hat, ist einer größeren Gelassenheit gewichen. Insgesamt wirkte Mathias Richling distanzierter als in früheren Programmen. Das erlaubte auch dem Publikum mehr Abstand zum Geschehen auf der Bühne. Helmut Kohl und seine erstaunlichen rhetorischen Fähigkeiten waren das durchgängige Thema des Abends, denn: „Kohl hat soviel, außer irdischer Intelligenz“ bewundert Richling den Kanzler.

Zwischendurch kramte er unter der Rampe nach der FDP: „Put, put, put. Wo ist sie denn?“ Auch die Sozialdemokraten kamen nicht ungeschoren weg, selbst wenn an den Qualitäten ihres Spitzenkandidaten nichts auszusetzen ist: „Scharping hat das Zeug zum Filialleiter“. Klassisches Polit-Kabarett war das, in sicherer Distanz zum Publikum, das befreit lachen konnte.

Nur wenn Richling als Rheinländer, Schwabe oder Hessin dem Volk auf's Maul schaut, dann liegen Gemütlichkeit und Grauen beunruhigend nahe beieinander.

Iris Schneider