: Spirituelle Bewegungen
■ Tanz die Kirche: der „Eternal Rave“im St. Petri-Gotteshaus
Wer heute einen Blick in die St.-Petri-Kirche wirft, kann dort manch seltsames Treiben beobachten: Handwerker zimmern eine Tanzfläche über den Sitzbänken, Techniker bauen mächtige Beschallungsanlagen und eine riesige Videoleinwand auf, und rund um die Kirche werden Stände und Zelte errichtet. Aber keine Angst: Dies soll noch kein Weihnachtsmarkt werden. Es sind die Vorbereitungen zum „Eternal Rave“, der heute hier gefeiert wird.
Techno-Parties in Kirchen sind mittlerweile nichts Neues mehr. Erst vor vier Wochen gab es so eine Party in Lübeck. Sie hieß „Journey To Heaven“, in der Werbung wurde eine „700 Years Old Location“versprochen, rund tausend Menschen kamen und feierten bis zum nächsten Morgen. Eine erfolgreiche Idee also, nichts dran zu mäkeln.
Aber in Hamburg ist alles viel komplizierter. Denn auch hier gab es schon einmal so eine Party. Die hieß „Crusade“und ist fast anderthalb Jahre her, aber noch immer ärgern sich viele Leute darüber. Veranstalter der „Crusade“waren die Nordelbische Kirche und der Betreiber der Diskothek Unit, Bernd Cunze. Sie ließen die Kirche St. Katharinen in einen Partyraum verwandeln, wo ein Gregorianik-Chor, ein Ballett und Vertreter der deutschen DiscJockey-Elite auftraten. Rund 3000 Leute hatten in dieser Nacht ihren Spaß, aber kurz darauf stellten Gemeindemitglieder einen Mißbrauch an ihrer Kirche fest, und auch Kirchenfachleute urteilten vernichtend. Der Erlanger Theologieprofessor Manfred Seitz fühlte sich gar zu der Feststellung veranlaßt, das Dämonische versuche eben immer, in die Nähe des Sakralen zu kommen. Die ursprünglich als Tour durch mehrere Städte geplante „Crusade“wurde eingestellt.
Doch die christliche Berliner Organisation J.U.M.P. (Jugendarbeit und Medienproduktion) will es nun noch einmal versuchen. Sie hat vor einem Jahr in einer Berliner Kirche eine „Eternal Rave“genannte Party veranstaltet und geht jetzt mit dem Konzept auf Tour. Pastor Wolf-Dieter Seemann von St. Petri unterstützt die Veranstaltung: „Die veröffentlichte Meinung zur ,Crusade' war zwar eher negativ, aber vielen hat die Party gefallen.“Besonders begrüßenswert findet er, daß der Ökumenische Jugendrat Hamburg, ein Zusammenschluß verschiedener christlicher Jugendverbände, die örtliche Durchführung der Party übernommen hat. Anders als im letzten Jahr sind jetzt viele ehrenamtliche Mitarbeiter dabei. Und statt Sven Väth treten überwiegend christliche DJs und Live-Projekte auf, wie Kenny Mitchel aus New York und Hydro aus Bristol. Der baptistische Pastor Peter Jörgensen, der die örtliche Koordination leitet, ist zwar kein Raver, aber er weiß: „Die Techno-Szene ist sehr friedlich und aufgeschlossen, und es gibt da auch viel Spirituelles. Das paßt doch gut zur Kirche.“Er hat das Gefühl, vielen Jugendlichen erscheine Kirche „wie eine Art Subkultur“. Und dagegen will er etwas tun.
Nele-Marie Brüdgam
„Eternal Rave“: heute, Hauptkirche St. Petri, ab 21 Uhr, 35 Mark
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen