■ Vorlauf: Traurige Partyzone
„Life is a cabaret“, So., 23.05 Uhr, ZDF
„Eigentlich sollte etwas ganz anderes dabei herauskommen. Ich dachte, daß das so eine lustige Sache werden soll“, sagt Tine nach der Filmpremiere – ein bißchen enttäuscht, ein bißchen irritiert. Eine lustige Sache war das Filmprojekt von Peter Kuhn und Sibylle Schimpf nur am Anfang, als noch Sommer war und die Bars und Clubs in Berlin gut gefüllt. Da ist Tine hinter der Schlangentheke der Kreuzberger „Schnabelbar“ hin- und hergepest und die Reportagekamera immer hinterher. Tines geschorener Kopf ist auf den Bildern ganz nach hinten geworfen, und in ihren großen Augen glänzt ein Gefühl von Macht. Die Macht eines angepunkten Provinzmädchens, das die Welt beherrscht, die diese Bar ist.
Es war, wie gesagt, ein Partysommer in Berlin, als die beiden Filmemacher vor einem Jahr mit ihrem Debütprojekt begannen. Als sie begannen, vier Barfrauen zu begleiten mit der Kamera und zu befragen: vier Existenzen aus der Partyzone, als ob's die Welt wär'. Heiter, sehr vorsichtig beginnt diese Näherung. Hier ist die Theke, dort sind die Herzen um das heimische Bett drapiert. Das Leben, die Sorgen sehen nach Leichtigkeit aus, so wie es eben manchmal ist.
Und dann ist es doch kein Film über diese Welt geworden. Obwohl es nicht im Drehbuch stand, hat sie sich nämlich als Zwischenwelt erwiesen und ein bißchen auch als Lüge. Natürlich: Wer neu in einer großen Stadt ist und hinter einer Bar hängenbleibt, will meistens wieder ein Ziel, irgendwann. In den Köpfen aller vier Tresen- Mädchen war Partyland schwelend abgebrannt. Die Reportagekamera stand noch da und nahm ganz beiläufig auf, wie die Leichtigkeit aus dem Leben schwand. So ist dem Film eine Tiefe passiert, die ihm zu anrührend dichten Bildern gerinnt. Und außerdem ist auch noch Winter geworden. Am Ende ist Tine noch einmal in der Kleinstadtwelt, aus der sie kam, es regnet, hier ist die Mutter gestorben, hier sitzt ihr der Vater voll ungelenker Worte gegenüber. Hier sitzt Tine auf einem Berg und weint. Die Kamera ist ihr näher gekommen, als sie gedacht hat. Lutz Meier
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