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Die Roten Khmer in voller Auflösung

■ Pol Pot ermordet Freunde und flieht mit Anhängern und Geiseln in den Urwald

Bangkok (taz) – Die kambodschanische Revolution frißt ihre Kinder. Pol Pot, der Organisator eines der größten Massenmorde in der Geschichte, steht offenbar vor dem Ende. Der Anführer der Roten Khmer soll gestern mit 200 Anhängern aus seinem Hauptquartier in Anlong Veng nahe der thailändischen Grenze geflohen sein, nachdem sich die Reste seiner Rebellentruppe gespalten und aufeinander geschossen haben. Seinen offiziellen Nachfolger Khieu Samphan sowie mehrere Funktionäre schleppte er als Gefangene mit.

Zuvor hatte Pol Pot zwei seiner langjährigen engen Vertrauten, Son Sen und dessen Ehefrau Yun Yat, grausam töten lassen. Sie seien zunächst angeschossen und dann von Lastwagen überrollt worden, so die kambodschanische Regierung. Die beiden wollten offenbar den Guerillakrieg gegen die Regierung beenden.

Über das dramatische Geschehen im Hauptquartier der Roten Khmer berichtete gestern in Phnom Penh Premierminister Prinz Norodom Ranariddh. Bereits im vorigen Jahr hatten sich Tausende Rote Khmer auf die Regierungsseite geschlagen. Pol Pot, der in den vergangenen Jahren mehrfach totgesagt worden war, sei so krank, daß er von anderen getragen werden müsse, heißt es.

Wohin sich Pol Pot und seine Leute flüchten, ist unbekannt. Thailand und China haben bereits dementiert, ihm Asyl zu gewähren. Beide Länder haben die Roten Khmer lange unterstützt. Hochrangige Funktionäre der Organisation, die einen rigiden Agrarkommunismus erzwingen wollten, besitzen Villen und Geschäfte in Thailand. Die thailändische Armee hat nach offiziellen Angaben die Grenze Richtung Anlong Veng abgeriegelt.

Auf kambodschanischer Seite marschieren Regierungssoldaten in Richtung des von den Roten Khmer bislang kontrollierten Gebietes. Schon in den letzten Wochen hatte es immer wieder Konflikte im engsten Kreis um Pol Pot gegeben, unter dessen Herrschaft zwischen 1975 und Anfang 1979 eine Million Menschen umkamen. So soll der als „Schlächter“ bekannte Ta Mok mit 500 Anhängern kürzlich nach Thailand geflohen sein.

Der jetzt getötete Son Sen war als Verteidigungsminister für das Todesgefängnis Tuol Sleng verantwortlich, in dem mehr als 10.000 „Staatsfeinde“ gefoltert und ermordet wurden. Seine Frau Yun Yat ließ als Kulturministerin buddhistische Mönche töten und Tempel zerstören. Beide arbeiteten schon in den 50er Jahren mit Pol Pot zusammen, ebenso wie der nun verschleppte Khieu Samphan, der das Terrorregime einst bei der UNO vertrat. Jutta Lietsch

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