Wo nichts funktioniert

■ Wer in Bremen die Nase einige Zentimeter vorn hat, stößt sie sich wund: Beobachtungen bei den Museumstagen in den neuen Messehallen

egweisendes High-Tech, erlesenen Geist, große Kultur, ehrwürdige Traditionen oder gar exquisite Mode sucht man auf der Hamburg-Messe vergebens. Gegen Köln, Düsseldorf, Berlin, Leipzig oder München kann die Mittelklassemischung des Hamburger Messeallerlei aus Hanseboot oder Hanse-Golf nicht anstinken. Hinter dem Etikett einer Strategie der ,hochspezialisierten Fachmesse für den Mittelstand' verbirgt sich norddeutsche Provinzialität“, schrieb Florian Marten in der Hamburg-Beilage der taz-Wochenendausgabe. Beinahe mühelos läßt sich in diesem Urteil „Hamburg“durch Bremen ersetzen. Nur beinahe, weil man sich an der Weser immerhin problembewußt gibt und mit der Förderung eines „Space Congress“oder der am gestrigen Sonntag zu Ende gegangenen „Internationalen Museumstage Bremen“wenigstens versucht, in Nischen über Hanse-Niveau hinausgehende Akzente zu setzen. Die Praxis scheint die BremerInnen allerdings zu überfordern.

Noch immer sind die für die Messe „Dach & Wand“aus dem Boden gestampften Messehallen auf der Bürgerweide eine Baustelle. Sanierungsarbeiten an der über 30 Jahre alten Stadthalle und Umbauten am Congress Centrum vervollständigen das äußerliche Bild eines Provisoriums, das sich innen fortsetzt. Leere Foyers, abbrechende Wege, mit voller Wucht trennende Brandwände und Hinweisschilder aus dem Fotokopierer machen den Eindruck einer Fabrikhalle, die für einen Kongreß zweckentfremdet wurde. Bis September, so werden BesucherInnen vertröstet, soll alles fertig sein. Trotzdem werden auf der Baustelle Veranstaltugnen ausgerichtet – darunter jetzt das Musical „Shakespeare and Rock'n'Roll“oder eben die Museumstage.

Mit einem sechsstelligen Betrag aus dem Wirtschaftsressort wird das auf mehrere Jahre angelegte Projekt gefördert. Das Ziel: Die Etablierung einer Museumsmesse im ersten Halbjahr 1998. Vergleichbares gibt es zwar in München oder Paris. Doch mit den Themen Museumsshops oder Museen und Multimedia haben die Bremer VeranstalterInnen um die Agentur „white balance“die Nase um einige Zentimeter vorn. Doch ebendie haben sie sich am Wochenende wund gestoßen. Abgesehen von dem Echo, das mit 70 TeilnehmerInnen aus Museen und Merchandising-Firmen weit unter den Erwartungen blieb, bekam Wirtschaftssenator Hartmut Perschau (CDU) vor seinem Grußwort deftige Klagen über die Messe GmbH zu hören. Kopfhörer für die Simultanübersetzung fehlten genauso wie HelferInnen für den Aufbau. Kurz: „Nichts hat funktioniert“, mußte sich Perschau sagen lassen und antwortete mit der Miene eines herannahenden Donnerwetters. Mit Grund, denn mit dieser Form von Dilettantismus bleibt selbst Hanse-Niveau unerreichbar.

Wo das Umfeld nicht stimmt, geht vieles schief. Ein offenbar in Windeseile zusammengetackerter Reader, ein halbes Dutzend in der Gegend verlorene Computerterminals oder vier Shopping-Ständchen sind weder kompatibel mit dem Wort „international“noch mit den Ideen, die hinter den Museumstagen und der geplanten Messe stecken. Denn die Agentur „white balance“der Claire Kiyoko-Klindt greift zwei aktuelle Themen für die Kulturwirtschaft und hier die Museen auf: Die Kommerzialisierung und den nur zu ahnenden nächsten technologischen Sprung in den elektronischen Medien.

Wenn der Sparzwang Reformeifer in der (Kultur-) Verwaltung zeitigt, verändern auch die Museen ihr Gesicht. Nicht nur in Bremen, wo im nächsten Jahr zwei Häuser nach der Sanierung wiedereröffnen, verwandeln sich ihre Foyers zu Profit Centern. Und auch wenn nicht alle Bremer Museumsleute beim „white balance“-Projekt mitmachen, springen doch alle auf den Zug auf und wollen den MuseumsbesucherInnen mehr abnehmen als nur das Geld für die Eintrittskarte. So strickt das Gerhard-Marcks-Haus an einem Gerhard-Marcks-Sortiment, so hat sich der Weserburg-Kassenraum in einen Gemischtwarenhandel aus Kunst und Design verwandelt, und so könnte es im Übersee-Museum bald ein Museum zum Mitnehmen auf CD geben.

StudentInnen und AbsolventInnen der Bremer Hochschule für Künste richten es zur Zeit ein. Unter Nutzung des hochleistungsfähigen Breitbandnetzes ATM entwirft die Gruppe „COINN“der Hochschule für das Übersee-Museum einen virtuellen Zwilling. Die KongreßbesucherInnen konnten ihn schon kennenlernen. Via Bildschirm kamen sie in den Genuß eines Museumsrundgangs als Streifzug durch das ganze Arsenal von Multimedia-Anwendungen.

Das Spiel auf dem virtuellen Gamelan etwa ist auf den Nummerntasten der Computertastatur steuerbar. Ein Mausklick führt in Wort, Bild und Ton zur Geschichte und Herkunft dieses Instruments. Und was für den Gamelan gilt, gilt auch für die anderen Exponate des Museums.

Die Verwandtschaft mit Multimedia-Enzyklopädien wie Microsofts „Encarta“macht Übersee-Museums-Silberlinge leicht vorstellbar. Die Vernetzung von Museen ist geplant, so daß sich der virtuelle Zwilling des Übersee-Museums von jedem ans ATM-Netz angeschlossenen Ort der Welt besuchen läßt. Und wie sich solch ein digitaler Service eines Tages in das neue Medium einfügen könnte, das Computer und (interaktives) Fernsehen miteinander verbindet, ist heute nur zu ahnen.

Ob einem diese Entwicklungen gefallen oder nicht: Ein ganzer Reigen von Innovationen war da am Wochenende spürbar, und Impulse dafür kommen sogar aus Bremen. Grotesk allerdings, wie leichtfertig in der Messehallen-Baustelle damit umgegangen wurde. ck