: Mit dem Privatauto an die Börse flitzen
Cash/Car ist eine neue Idee von StattAuto. Damit soll beides möglich werden: Privat einen Wagen zu besitzen – und es anderen bei passender Gelegenheit gegen Geld zu überlassen. Im nächsten Jahr soll das Projekt gestartet werden ■ Von Markus Petersen
Detlef Genthe ist ein alter und auch zufriedener Kunde der StattAuto CarSharing – und dennoch kurz davor zu kündigen. Im Laufe der Jahre wuchs seine Telefonfirma und damit auch die Rechnung für Fahrten mit den StattAutos. Zwischenzeitlich bezahlte er über 350 Mark im Monat für CarSharing und begann, über die Anschaffung eines Privatautos nachzudenken. Zunächst ging er zum ADAC, um sich über die laufenden Kosten zu erkundigen, die bei einem eigenen Fahrzeug so anfallen würden. Nichts gehe unter 450 Mark im Monat, wurde ihm gesagt und das schon für einen Seat Marbella. Bei StattAuto hatte er immerhin die Auswahl. Das Angebot reicht vom kleinen Daihatsu Cuore bis zum Ford Galaxy. Aber beim CarSharing ging ihm das fast tägliche Buchen und Abholen der StattAutos auf die Nerven. Lieber hätte er grundsätzlich ein Auto statt grundsätzlich keines gehabt.
Teilnehmer wie Detlef Genthe gibt es bei StattAuto relativ häufig. Sie sind nicht unzufrieden, weil der Service schlecht oder die Autos dreckig wären, sondern weil das System CarSharing bei ihnen als Vielfahrern an seine Grenze stößt. Als wir CarSharing erfanden, dachten wir an Leute, die selten ein Auto brauchen und sich – mangels StattAuto – dennoch eins kaufen. Der Gedanke war richtig, 3.500 BerlinerInnen teilen sich zur Zeit 170 Autos in 45 Stationen, über 600 von ihnen haben ihren Privat-Pkw verkauft oder keinen angeschafft. Ein Erfolg, der sich bei näherer Betrachtung auf die Gruppe der Wenigfahrer beschränkt. Durchschnittliche StattAuto-Teilnehmer fahren einmal im Monat für 70 Mark. CarSharing konzentriert sich also auf Menschen, die manchmal ein Auto brauchen. Wir wollen jedoch auch etwas für die entwickeln, die manchmal ein Auto nicht brauchen.
Cash/Car ist daher CarSharing verdreht. Seine KundInnen leasen einen Neuwagen von StattAuto, zum Beispiel für ein Jahr und 15.000 Kilometer. Versicherung, Steuern, Inspektionen, Reparaturen und Unfallersatzwagen sind inklusive. Nur Tanken und Waschen müssen sie noch selbst. Die Monatsrate wird beispielsweise für einen Astra Caravan rund 750 Mark betragen. Das entspricht in etwa den vom ADAC geschätzten wirklichen Kosten für ein solches Auto. Das Extra: Die KundInnen können ihr Auto zu Geld machen, indem sie es an einer der StattAuto- Stationen von Zeit zu Zeit zurückverleihen. Während der Rückgabezeit wird das Cash/Car Geld verdienen, weil StattAuto es an seine TeilnehmerInnen im klassischen CarSharing-Bereich vermietet. Die Einnahmen werden geteilt, dem Kunden mit seiner Leasingrate verrechnet. Natürlich sind Cash/Car-KundInnen auch StattAuto-TeilnehmerInnen. Sie können ihr Auto gegen ein StattAuto zum Beispiel ein Cabriolet oder einen Transporter eintauschen.
So weit, so einfach. Aber wie hoch werden die Mieteinnahmen sein? Wie viele Tage muß das Auto abgegeben werden, um die Monatsrate auf die Hälfte zu drücken? Hier wird Cash/Car für Spekulantengemüter interessant. Die Erträge hängen nämlich von der generellen Nachfrage nach StattAutos ab. Diese schwankt und ist am Wochenende und in den Ferien besonders hoch. Stark nachgefragte und damit hoch ausgelastete Cash/ Cars werden mehr Geld zum Aufteilen erzeugen als unbeliebte unvermietete. An einem der vergangenen langen Mai-Wochenende wurde der aktuelle Rekord aufgestellt. Einer unserer ersten Testkunden erhielt für vier Tage Rückgabe 200 Mark Umsatzbeteiligung. Aber es wird nicht immer funktionieren. An einem nebligen Novemberwochenende sind höchstens 50 Mark zu erwarten. Diese schwankenden Gutschriften bezeichnen wir als Kurse, deren Entwicklung an einer neuartigen Börse beobachtet werden können. Gehandelt werden dort die jeweiligen Werte für die Rückgabezeiträume der verschiedenen Autos.
Ort dieser Börse wird die Mobilitätszentrale von StattAuto sein, bei der man sein Cash/Car anbieten wird, um die aktuellen Kurse zu erfahren beziehungsweise ein Rückgabegeschäft abzuschließen. Wer sein Cash/Car verbindlich zur Verfügung stellt, bekommt den entsprechenden Kurs von StattAuto garantiert, auch wenn sein Auto vielleicht gar nicht vermietet wird. Wenn es nach uns geht, werden Cash/Car-KundInnen bald darüber diskutieren, ob der am Wochenanfang garantierte Kurs für das Wochenende noch steigen oder fallen wird.
Der Umgang mit dem Auto und seine Bewertung könnte sich so massiv ändern. Angenommen, der Kurs für das lange Wochenende von Donnerstag bis Sonntag sei für die CarSharing-Mittelklasse 150 Mark. Erinnerungen an das Wohngemeinschafts-Auto werden wach. Diesmal wird es jedoch nicht darum gehen, wer die Karre endlich zum TÜV bringt oder sie mal haben darf. Vielmehr wird darum gefochten werden, ob man mit Cash/Car zum Baden kurvt oder lieber mit der S-Bahn fährt – und mit dem verdienten Geld anschließend im Restaurant schlemmen geht. Vorbei die Zeiten, in denen Männe nur einmal seine Frau vom Neuwagen überzeugen mußte, um damit mittelfristig die Haushaltskasse zu ruinieren. Ein Auto wird es weiterhin geben, jetzt aber sogar inklusive Freizeitplanung: Tu was für die Urlaubskasse und gib das Auto für 10 Tage ab!
Zur täglichen Disposition stehen wird jedoch nicht nur einer der größten Ausgabenposten der Haushalte. Cash/Car wird, sofern es nicht genau aus Angst vor dieser Gefahr durchfällt, den Fetisch Auto zumindest teilweise zerstören. Viele streiten es ab, und dennoch wissen es alle: Ein Auto zu besitzen und damit zu fahren ist nicht in allen Fällen rational begründbar. Vielmehr erfüllt das Auto als ein Stellvertreter manche unserer geheimsten Wünsche. Am besten wissen das die Hersteller, die ihr Produkt mit Wünschen nach Liebe, Zweisamkeit, Freiheit und Sportlichkeit belegen. Cash/ Car wird diese Art der Begleitassoziation zerstören, da sie zum Gesprächsthema im Haushalt wird. Häufig genug werden die Gründe für die unbedingte Notwendigkeit des Autos schwach sein, und hinter ihnen werden die irrationalen Wünsche durchscheinen. Das entwertet den Fetisch, der aufgeblasene Tauschwert des Autos schrumpft auf den Gebrauchswert.
Der Erfolg der Cash/Car wird sicher nicht bei denen beginnen, die per Autokauf die Sinnfrage beantworten wollen. Anfangen werden die VielfahrerInnen beim CarSharing, die keine langfristigen Beziehungen mehr zu ihrem Auto unterhalten konnten und daher entwöhnt sind. Folgen werden kleine Firmen, die mehr über Kosten als Wünsche nachdenken müssen. Schließlich wird Cash/Car auch einen Teil der privaten Autofahrer erreichen. Den Privat-Pkw wird es weiter für die geben, die sich die Intimität seines Raums erhalten wollen – wenn auch nicht länger als Rumpelkiste. Solche Privatmobilisten werden allerdings den Spott derer auf sich ziehen, die mit dem verdienten Cash ihre echten Liebesbeziehungen vergolden werden.
Cash/Car wird zur Zeit getestet und wissenschaftlich erforscht, um wirklich sicher zu gehen, ob auch alles so schön zutrifft wie erhofft. Anfang 1998 wird Cash/Car dann in Berlin angeboten. Interessierte können sich aber bereits jetzt bei StattAuto anmelden. Wir informieren sie gerne über die Entwicklungsfortschritte und bieten ihnen Cash/Car als dann als erste an.
Markus Petersen ist Geschäftsführer von StattAuto. Weitere Infos über CashCar gibt es bei StattAuto unter (030) 443 763 96/7
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