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Auf Du und Du mit dem Weser-Kurier„Kampagnenjournalismus“

■ Offener Brief von Edith D. Borttscheller

Offener Brief* an die Hüter der politischen Moral im Weser-Kurier und Bremer Nachrichten:

Sehr geehrte Damen und Herren, ein Unternehmen führt mit dem Konkursverwalter eines anderen Unternehmens eine rechtliche Auseinandersetzung um die Nicht-Erfüllung eines Vertrages. Die Gesellschafterinnen des einen Unternehmens sind Ehefrauen zweier Bremer Senatoren. Da es sich 1. um Frauen handelt und 2. um die „bekannter“Männer, drängt sich natürlich die Vermutung geradezu auf, daß es sich bei diesen Frauen eigentlich nur um „Strohfiguren“handeln kann.

Äußerungen des Anwalts des gegnerischen Unternehmens werden nun von der Lokalzeitung mit den Worten wiedergegeben, er mache der Nordgrund GmbH den Vorwurf, „für den Konkurs des traditionsreichen Bauunternehmens mit verantwortlich zu sein“– woraus die Überschrift wird „Senatorenfrauen an Pleite mitschuldig?“Offensichtlich kommt niemand auf die Idee, diese Behauptung einmal zu überprüfen und beispielsweise den Konkursverwalter u.a. danach zu befragen, wann das betroffene Unternehmen zahlungsunfähig war, welche Forderungen insgesamt geltend gemacht werden, und ob der Unternehmer das erste Mal in Konkurs gegangen ist. Schlechter Journalismus? Kampagnenjournalismus?

Nachdem in der Samstagsausgabe des Weser-Kurier wahrheitswidrig behauptet wird, daß mein Mann in einer „Doppelrolle“als „Senator und Bauunternehmer“tätig ist, kommt der Kommentar der Grünen am Sonntag wie bestellt, in denen die „Enthüllungen“des Weser-Kurier bewertet werden als die Aufdeckung eines „Sumpf(s) zwielichtiger Aktivitäten“.

In der heutigen (gestern/Anm. d. Red.) Ausgabe des Weser-Kurier wird dann eingeräumt, daß es sich um „Spekulationen“handelt, die aber dann doch eine so schöne Geschichte ergeben, daß man sie ständig wiederholen muß. Sich schöne Geschichten durch Fakten kaputt machen lassen – kommt doch gar nicht in Frage: da ignoriert man doch auch eine zweieinhalbseitige Presseerklärung des Anwalts der Nordgrund GmbH vom 14. Juni, in der u.a. festgestellt wird, daß die Nordgrund GmbH 1994 gegründet worden ist (und damit zu einem Zeitpunkt, als nicht daran zu denken war, daß mein Mann Senator werden würde) und daß ein Weinheimer Steuerberater einer der Gesellschafter ist und sie deshalb beim Amtsgericht Mannheim eingetragen ist.

„Unangenehme Nachfragen“an einen unseriösen Kampagnenjournalismus, in dem der Ruf des journalistischen Berufsstandes ein weiteres Mal nachhaltig beschädigt wird. Ob die betroffenen Journalisten den Mut haben, die Leser im nachhinein korrekt zu informieren, bleibt abzuwarten.

Mit freundlichen Grüßen

Edith D. Borttscheller

* von Red. leicht gekürzt

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