: Weniger Bildung kostet Jobs
■ Mit seinen drastischen Sparmaßnahmen an den Hochschulen trägt der Senat die Verantwortung für bis zu 10.000 zusätzliche Arbeitslose, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnet
Mit seinen Sparmaßnahmen an den Hochschulen verschärft der Senat die Arbeitslosigkeit. Bis zu 10.000 zusätzliche KlientInnen bekommt das Landesarbeitsamt, wenn Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) die Millionenkürzungen wie geplant bis 2003 fortsetzt. Das hat die Regierung jetzt schriftlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Freien Universität, die gestern ein gemeinsames Gutachten vorstellten. Die Verteilung der Sparmaßnahmen sei „äußerst problematisch und kritikwürdig“, sagte DIW-Ökonom Dieter Vesper.
Nicht nur Professoren und wissenschaftliche MitarbeiterInnen verlieren ihre Arbeitsplätze, sondern auch Bäcker, Schuster, Verkäuferinnen und Bedienungspersonal in Gaststätten. Zu diesen Schlußfolgerungen kommt das DIW, weil es die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Hochschulen für das Land und seine Bevölkerung berechnet hat.
Eine wesentliche Auswirkung der Unikürzungen ist die sinkende Zahl der StudentInnen. Boten die Berliner Hochschulen 1993 noch 115.000 Studienplätze an, sollen es im Jahr 2000 nur noch 85.000 sein. Nach internen Berechnungen der Wissenschaftsverwaltung könnten 2003 sogar nur noch 62.000 angehende AkademikerInnen an der Spree studieren. Weniger StudentInnen geben aber drastisch weniger Geld aus, was die Nachfrage in allen Bereichen der Wirtschaft reduziert. In der Folge müssen Geschäfte wegen sinkender Einnahmen ihre Beschäftigten kündigen oder ihre Ladentüren gleich ganz schließen.
Gegenwärtig tragen die 16 Hochschulen, darunter drei Universitäten mit zwei Unikliniken, direkt und indirekt rund sechs Milliarden Mark zum Bruttoinlandprodukt des Landes bei. Wenn der Senat seine Finanzierung der Bildungsstätten von 3,1 Milliarden (1995) wie geplant auf rund 2,2 Milliarden Mark reduziere, würden dem Wirtschaftskreislauf der Stadt rund 900 Millionen im Jahr 2003 entzogen, beziffert das DIW. Die Folge: Die Arbeitslosigkeit steigt. Zwar entlasten die Kürzungen den Landeshaushalt, insgesamt spart der Staat jedoch kein Geld: So muß die Bundesanstalt für Arbeit die Beschäftigungslosen finanzieren.
Die Sparerei an der Bildung fällt im Vergleich zu anderen Sektoren der Wirtschaft besonders ins Gewicht, weil die Hochschulen überproportional viel Geld in die Stadt holen. Sie locken nicht nur Tausende von StudentInnen herbei, sondern werben auch gigantische Summen aus der Industrie ein, die zum guten Teil ebenfalls in der Stadt bleiben.
Das DIW befindet sich mit seiner Kritik in bester Gesellschaft. Denn mittlerweile stöhnt auch die Wirtschaft auf, wenn der Senat sein jeweils neuestes Sparziel verkündet. Unlängst erst erklärte die Industrie- und Handelskammer als Vertretung der Unternehmen, daß die Hochschulen nicht weiter stranguliert werden dürften. Die Wirtschaft fürchtet um ihren Nachwuchs und die Forschung für neue Produkte. Hannes Koch
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