■ Die Norweger schauen sorglos zu: Erfolg auch ohne Euro
Stabilitätspakt, Konvergenzkriterien, konstitutionelle Fragen. „Gott sei Dank, daß wir nicht dabei sind!“ Die Norweger bereuen gar nicht, daß sie im November 1994 der EU den Rücken gekehrt haben. Die Mehrheit der Bevölkerung hat damals in einem Referendum gegen den Beitritt zur EU gestimmt, den die Regierung vorher mühsam ausgehandelt hatte. Selbst die Befürworter von damals gestehen heute ein: Es war wohl doch keine Tragödie, vor allem wenn man sieht, wie sich die EU seitdem entwickelt hat. Die Norweger können Europas Probleme ohne Sorge betrachten, was daran liegt, daß sie viel Glück hatten: Warum sollte man sich dem gnadenlosen Konkurrenzkampf in der Union aussetzen, wenn man die finanzielle Absicherung durch die immensen Ölreserven unter der Nordsee hat.
Vorerst jedenfalls. Und wenn die Ölvorräte knapp werden, kann man seine Meinung immer noch ändern. Die EU wird doch bestimmt nicht vier Millionen reichen Norwegern den Zutritt verwehren, wenn die das wünschen. Im Moment ist das allerdings unwahrscheinlich, letzte Untersuchungen kamen zu einem für die nordischen Ölscheichs beruhigenden Ergebnis: Das Öl sprudelt noch mindestens 30 Jahre. In der Zwischenzeit hat man sich gut mit der ungeliebten EU arrangiert. Durch den Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum genießt Norwegen alle Vorteile des Binnenmarktes, mit einigen Ausnahmen, wie zum Beispiel den Handel mit Fisch, wo die EU Grenzen gesetzt hat. Ein glückliches Land also, ein glückliches Volk!
Oder ein Land voller Egoisten, die ihren Reichtum für sich behalten wollen, während die anderen Europäer an der Zukunft des alten Kontinents bauen und sich darüber dauernd in die Haare kriegen? „Es ist typisch norwegisch, gut zu sein“, hat die frühere Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland einmal gesagt, als das Land während der Winterspiele in Lillehammer von aller Welt für die Organisation gelobt wurde und auch noch die Sportler von Erfolg zu Erfolg eilten. Das war leider nicht ironisch gemeint. Die Norweger sind selbstzufrieden, auch selbstgerecht. Sie sehen sich als besonders erfolgreich an, als ein Land, das alleine stehen kann und dabei noch Weltmeister in den Disziplinen Wirtschaft und Finanzen ist. Konvergenzkriterien, kein Problem, die Aufnahmebedingungen für den Euro würden wir locker erfüllen. Aber Norwegen geht es auch ohne Euro gut. Die Frage ist nur, wie lange noch? Arnt Stefansen
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