: Rückkehr der kleinen Schwester
■ n Vom Knabberfix-Abend zum größten Fest seiner Art: Das 13. Kurzfilm Festival
Manchmal dauert der Abspann länger als der Film. Dann wollen auch die Danksagungen an Mütter, Onkel, Tanten und Lampenhalter kein Ende nehmen. Und wüßte man nicht mit Sicherheit, daß man gerade der Premiere eines übersichtlichen, minutenlangen Super-8-Film beigewohnt hätte, könnte man meinen, man befände sich auf der Welturaufführung von Vom Winde verweht.
Seit dreizehn Jahren geht das jetzt schon so. Fünf Tage im Jahr. Und ab heute wieder, denn das 13. Internationale Kurzfilm Festival überläßt der kleinen, manchmal schillernden, manchmal schmuddeligen Schwester der großen Kinomythen, die Eis- und Bundeswehrreklame aus dem Vorprogramm leider verdrängt haben, bis Sonntag die Leinwände des 3001, Alabama, Metropolis, Passage, Zeise und der Markthalle.
Über 2.400 Beiträge aus mehr als 70 Ländern wurden diesmal eingereicht und lassen das Filmfest zum umfangreichsten seiner Art hierzulande aufsteigen. Neben den Wettbewerben, gibt es wieder die „First Steps“, die ersten laufenden Bilder diesmal u. a. von Tarkowskij, und Terry Giliam, einen Länder-Schwerpunkt „Norwegen – nördlich der Normalität“, den „Flotten Dreier“(eine Revue mit alten Preisträgern) und die obligatorische „Trash-Nite“).
Ob unbekannte Dilettanten oder mehrfach Gefeierte wie der US-amerikanische Experimentalfilmer Karl Nussbaum, das Festval bietet, trotz internationalem Zuwachs, getreu seinen Wurzeln als Halbprivater bunter Knabberfix-Abend der Veranstalter Axel Behrens und Markus Schaefer, eine Spielwiesen für alle Formate und Ambitionen. Aus diesen heiteren Ur-Zusammentreffen mag sich auch der Geist für das Projektorrennen am Samstag um 23 Uhr in der Markthalle ableiten. Karl Nussbaum, der für seine meditativen Farbvisionen vor zwei Jahren prämiert wurde, ist in diesem Jahr im Wettbewerb mit Raw Images from the Optic Cross, einer statischen Vergangenheitsreise zum Holocaust, in der sich chassidische Symbole mit organischen Strukturen verzahnen, vertreten.
Schon jetzt zu empfehlen ist Eija-Liisa Ahtila Jos 6 Olis 9 aus Finnland, der in zärtlichen Paralellmontagen von den Pubertätsnöten im Knäckebrotland, von Pickeln und Poesie, von geräumigen Lustvisionen und kleinmütigen Berührungsängsten erzählt. Unter den animierten Beiträgen im Wettbewerb findet sich auch Mike Booths The Saint Inspector, der sich in seiner Geschmeidigkeit und Eleganz durchaus mit dem oscarprämierten Quest von Thomas Stellmach, der in einem Sonderprogramm ebenfalls gezeigt wird, messen kann. Der Inspektor höchster und einzigartiger Heiligkeit ist ein Männchen mit ausfahrbarem Objektivauge, das einen rosafarbenen Fettwanst auf Spritualität, Weisheit, Herz und Nieren prüft. Bei einer Endoskopie muß der Sachverständige jedoch feststellen, daß der geistige Verdauungstrakt des Patienten eher einem Orkus gleicht, dessen Ränder pupsende Langeweile und schimmelbehaarte Perversionen säumen. Und in der Schlußtotale offenbahrt sich gar, daß es von den angebeteten Parasiten menschlicher Katastrophenangst gleich eine Serie gibt. Monotheismus hat sich eben noch nie gelohnt, so die klasse geknetete Moral. Birgit Glombitza
Eröffnungsprogramm mit „Angry Kid“(Daren Walsh), „Kristobal“(Arild Kristo), „Ein perfekter Mord“(Frank Peter Lenze), „Genre (Don Hertzfeld), „Was nicht paßt – wird passend gemacht“(Peter Thorwarth), „Wacked“(Rolf Gibbs), „...von Söhnen“(Anthony Lew Shun), „Laws of Nature“(Tony Hill), heute, 20 Uhr, Markthalle
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen