: ABM-Projekte befürchten ihren Exitus
■ Industrie- und Handwerkskammern müssen jetzt jede ABM-Stelle genehmigen, die gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaften einrichten wollen. ABM-Dachverband hat Angst vor Projektpleite
Papier türmt sich auf dem Schreibtisch von Manfred Kern- Nelle, Mitarbeiter der Industrie- und Handelskammer (IHK). Seit kurzem hat er eine wahre Flut von Anträgen zu bearbeiten. Denn infolge der Reform des ABM- Rechts müssen die IHK und andere Kammern nun jede ABM- Stelle genehmigen, die gemeinnützige Projekte einrichten wollen. Durch das komplizierte Verfahren „droht vielen Trägergesellschaften die Pleite“, prognostiziert Sabine Bohle von A 3, dem Dachverband der Westberliner Beschäftigungsprojekte.
Auch Peter Haupt (SPD), Staatssekretär der Arbeitssenatorin, sieht „erhebliche Auswirkungen für die Träger“ voraus. Seit 1. April diesen Jahres ist das neue Arbeitsförderungsreform-Gesetz bundesweit in Kraft. Will die Kirche oder ein Sozialprojekt nun neue ABM-Stellen einrichten oder alte verlängern, muß die Industrie- und Handwerkskammer vorher eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen.
Erteilt die Kammer die Erlaubnis nicht, müssen die Arbeiten öffentlich ausgeschrieben werden, damit auch profitorientierte Betriebe der Wirtschaft sich bewerben können. Erstmalig könnten so auch Konzerne wie Siemens und Daimler-Benz ABM-Stellen bekommen.
„Wir haben einen Engpaß“, sagt IHK-Mitarbeiter Kern-Nelle. Rund 100 Anträge der Beschäftigungsprojekte seien seit Mai eingegangen, doch die Bearbeitung der meisten dauere noch an. Bei jeder ABM-Stelle muß die IHK nun beim Verband der Metallindustrie, bei der Sanitärinnung oder einer anderen Wirtschaftslobby nachfragen, ob deren Betriebe die geförderte Tätigkeit selbst ausführen möchten. Das braucht Zeit.
Auch durch die eventuell notwendige Ausschreibung „wird das Vergabeverfahren aufwendiger“, erklärt Staatssekretär Haupt. Und A 3-Mitarbeiter Eckhard Schäfer schätzt: „Die Bearbeitung eines Antrages wird insgesamt sechs Monate oder mehr dauern.“
Die Folge: In dieser Zeit warten die Sozialträger nicht nur auf die ABM-Gelder, sondern auch auf die staatlichen Zuschüsse für ihre Verwaltung und Miete. Während die Finanzierung ausbleibe, müßten die fixen Kosten trotzdem beglichen werden. Schäfer: „Das bringt die Träger an den Rand des Abgrunds.“
Zwar bleibt die Verwaltung der ABM-Projekte auch dann in den Händen der Sozialträger, wenn die konkreten Arbeiten in einem Privatunternehmen stattfinden. Irgendwann werden die Projekte ihr Geld vermutlich bekommen – vielleicht aber zu spät, weil es sie dann nicht mehr gibt.
Die Bonner Regierungskoalition will mit der Gesetzesreform erreichen, daß gemeinnützige Sozialbetriebe des öffentlich geförderten, „zweiten“ Arbeitsmarktes der Privatwirtschaft keine Konkurrenz machen. Außerdem will man Arbeitslosen den Übergang auf den „ersten“ Arbeitsmarkt erleichtern, indem die ABM-Stellen direkt bei den Privatbetrieben angesiedelt werden. Bislang galt das verschärfte Verfahren vor allem im Garten- und Landschaftsbau. Jetzt wurde es auf die gesamte gewerbliche Wirtschaft ausgedehnt. Hannes Koch
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