Mitten im doppelten Deutschland

■ Vier werden, um zwei zu sein: Punta Grande vom Hamburger Regisseur Gabor Altorjay

„You can have the cake and eat it, too.“Der Untertitel des dritten abendfüllenden Spielfilms von Gabor Altorjay nimmt in gewisser Weise bereits das Ende vorweg. Der Frage, wie man sich zwischen zwei Möglichkeiten oder Lebensentwürfen entscheiden soll, stellt Punta Grande eine absurd-realistische Antwort gegenüber: beides wählen.

Eine deutsche Kleinfamilie verbringt ihren Urlaub in Argentinien. Lilian (Martina Schießer), Fred (Josef Bilous) und ihre Tochter Luzi (Marieke Brüggmann) steigen in „dem kleinsten Hotel der Welt“ab, das „Punta Grande“heißt und vom Besitzer (Niels-Peter Rudolph) als „deutsches Haus“vorgestellt wird. Der Padron selbst entpuppt sich als deutscher Emigrant, der mit seiner Zwillingsschwester (Hildegard Schmahl) vor aufdringlichen Zwillingsforschern nach Südamerika geflüchtet ist. Daß alles um dieses Hotel wie die leicht verkommene Nachbildung einer deutschen Spießer-Idylle wirkt, ist also kein Zufall: „Es ist so deutsch hier“, bekennt Fred, „aber ohne das bedrückende Gefühl.“

Befreit von der heimischen Bedrückung, offenbaren sich dann auch prompt die inneren Sehnsüchte der Urlauber und führen zu einem unvermeidlichen Familienchaos. Lilian lebt mit dem Macho-Portier (Oscar Ortega Sanches) ihre sado-masochistischen Phantasien aus, Fred beginnt eine Affäre mit der Sängerin Inés (Gisela Müller). und Luzi will lieber bei José (Anton Sefkow) bleiben, als mit ihren streitenden Eltern nach Hause zurücckehren.

Die Konsequenzen sind so unausweichlich wie phantastisch: Fred tötet erst Lilians Liebhaber und dann sich selbst - beide treffen jedoch am nächsten Morgen unversehrt wieder aufeinander. Lilian und Luzi werden von Fred im Wahn überfahren, um anderntags fröhlich die Heimfahrt vorzubereiten, als wäre nichts geschehen. Die Abreise selbst schließlich gibt Antwort auf die Fragen nach der Logik: Fred, Lilian und Luzi haben sich schlicht vervielfältigt, um einerseits ihre Sehnsüchte in „Punta Grande“und andererseits ihre Familie zu retten. „Jetzt ist Schluß mit Entweder-Oder!“heißt einer der letzten Sätze.

Die Deutschen im Ausland bauen sich ein zweites Deutschland, und die Urlauber verdoppeln sich als Selbstverwirklichung: vier werden, um zwei sein zu können. Nichts in Punta Grande ist eindeutig: „Kaum jemand“, erklärt Altorjay zur Strategie seines Films, „ist heutzutage noch weniger als zwei. Manche rennen auch sechsfach herum.“Jan Distelmeyer

Abaton