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Heul du nur

■ Macho-Ikone als Trostpflaster für die gequälte Mädchenseele - "Hello Hemingway", eine Initiationsgeschichte aus dem vorrevolutionären Kuba

Es beginnt wie jedes echte Desaster, nämlich als Sommerlaune. Halb Liebesgeschichte, halb Melodram um verlorene Träume. Ein verbotenes Bad im Swimmingpool, schlenkernde nasse Kleider, die um die Hüften von zwei Mädchen kleben, die aufgescheucht das Weite suchen. Über allem „La Vigla“, eine entrückte weiße Villa, in der der berühmte Dichter wohnt.

Unten, in der Zimmerecke der sechzehnjährigen Larita (Laura de la Uz) hat besagter Hemingway bereits einen Platz unter den Helden aus Übersee, gleich neben Tony Curtis, Elvis, Cary Grant und James Dean. Wie eine Klammer rahmt Hemingways Romanvorlage von „Der alte Mann und das Meer“ das autobiographische Drehbuch von Mayda Romero ein, als tragische Parabel, stets gestützt mit dem passenden Zitat. Grundbaustein dazu ist das Bild vom glücklosen Fischer, der sisyphosmäßig aufs gleichbleibend fischarme Gewässer fährt, so wie Larita ihren Zukunftserwartungen von Bildung und Aufstieg aus dürftigen Verhältnissen nachhängt.

Das Setting im vorrevolutionären Kuba von 1956, unter der Noch-Diktatur des Ex-Sergeanten Batista bildet da nur den Hintergrund. Davor, sozusagen makroskopisch, die Sechzehnjährige in häuslich enger Familienumklammerung. Ohne Vater, dafür mit einem ganzen Troß hysterischer Verwandter, die auf Broterwerb anstatt auf höhere Bildung oder gar ein Stipendium in den Staaten pochen.

Eher am Rande klingt die Rolle der kubanischen Geheimpolizei an, die Professorin Martinez (Marta del Rio), Laritas Liebling und Vorbild, verhaftet, oder das korrupte Militär, bei dem ihr Onkel widerwillig Dienst tut. Viel wichtiger war der Bildregie von Fernando Pérez ganz offenbar die zart getönte atmosphärische Einbettung ins zyklongeplagte Naturambiente von San Francisco de Paula – wo Hemingway übrigens tatsächlich zwanzig Jahre lang residierte. Pastelltöne, Regenbogenspektren und nebelartiger Schnurregen draußen, Interieurs aus Altären, Heiligenbildchen und winzigen Wohnzimmerchen.

Das Zerwürfnis mit dem Freund, der sie für die Schülerrevolte gegen das Regime gewinnen will, und all die kleinen Kümmernisse eines weiblichen Teenagers werden getreulich dem „lieben Tagebuch“ anvertraut oder wiederum mit dem passenden Dichterwort bedacht.

Das hierbei unvermeidliche Pathos bleibt erstaunlich erträglich, denn kontrastierend eingesetzte Szenen, etwa die demütigenden Bewerbungsrunden in der amerikanischen Botschaft, wo mit spitzen Fingern die – obwohl klassenbeste – Volksschulabsolventin aussortiert wird, sorgen rechtzeitig für Abmoderation.

„Colombina de la mar“, allzu zarte Meeresschwalbe, nennt sie der Buchhändler und Vertraute Tomás (José Antonio Rodriguez) und rät, „überschwemm ruhig meinen Buchladen, heul nur“, bevor ein weiteres Kapitel aus Mr. Ernests Werken zur Erbauung verlesen wird. Noch erstaunlicher, daß ausgerechnet die Bücher der Macho-Ikone Hemingway als Trostpflaster für eine geschundene Mädchenseele taugen.

Der Hoffnung aller Literatur- Gläubigen auf ambulante Hilfe kann allerdings nicht entsprochen werden. Es bleibt bei einem Winken, denn der Dichter ist verreist. Good-bye Hemingway also. Gudrun Holz

„Hello Hemingway“. Regie: Fernando Pérez. Buch: Roy Blount. Kamera: Julio Valdes, Musik: Edesio Alejandro. Mit: Laura de la Uz, Raúl Paz, Herminia Sanchez, José Antonio Rodriguez, Marta del Rio, Paolo Bloblo Ncomo. Kuba, 1990, 90 Min.

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