: Schüsse in Kambodschas Hauptstadt
Der Machtkampf zwischen den beiden Premierministern nimmt gewalttätige Formen an. Beide Seiten beschuldigen sich eines versuchten Attentats und lassen ihre Milizen aufmarschieren ■ Aus Phnom Penh Jutta Lietsch
Phnom Penh (taz) – „Ich war drei Jahre Soldat bei den Roten Khmer. Aber ich habe immer nur auf dem Land gekämpft, niemals in der Stadt“, sagt ein junger Motorradtaxifahrer, der sich mit einer Gruppe von Kollegen schutzsuchend an die Mauer des Königspalastes von Phnom Penh drückt. Als Fachmann kann er die Kampfgeräusche deuten: „Das waren Granaten“, erklärt er nach heftigen Explosionen, „und das Bazookas... und das ist nur Maschinengewehrfeuer.“
Eine Straße weiter schießen in der Nacht zu Mittwoch die Leibwächter des kambodschanischen ersten Premierministers, Prinz Norodom Ranariddh, und des Polizeichefs Hok Lundy aufeinander. Zwei Soldaten des Prinzen sterben. Mehrere Menschen werden verletzt, darunter ein Journalist der französischen Nachrichtenagentur AFP. Einige Häuser in der Nähe der Residenzen des Premiers und des Polizeichefs werden beschädigt. Am nächsten Morgen beschuldigen sich beide gegenseitig eines versuchten Attentats. Die Darstellung der Ereignisse ist widersprüchlich: „Die anderen haben angefangen“, sagen die Bewaffneten. So bleibt im dunkeln, was diese Kämpfe ausgelöst hat.
Nur so viel ist klar: Prinz Ranariddh und Hok Lundy gehören zu verschiedenen Fraktionen in der verfeindeten kambodschanischen Regierung. Die Spaltung reicht hinunter in alle Institutionen des Staates, einschließlich der Armee, Polizei und Justiz. Bislang allerdings hatte sich der Machtkampf zwischen Ranariddh und dem Zweiten Premierminister Hun Sen auf Drohungen beschränkt.
General Serei Kosal, Sicherheitsberater des Prinzen, wirft der Gegenseite jetzt vor: „Sie wollen die Wahlen 1998 mit Waffengewalt verhindern.“ Gleichzeitig verteidigt er die Verhandlungen Ranariddhs mit den Roten Khmer: Wenn Khieu Samphan, der jahrzehntelang zum Kern der Organisation gehörte, jetzt „politisch und militärisch“ abschwöre, werde die Funcinpec-Partei des Prinzen ihn gerne aufnehmen. Weitere Bedingungen: Er müsse sich in die königliche Regierung einfügen.
Der Zweite Premier Hun Sen hatte am Montag gedroht, er werde alle „festnehmen lassen“, die mit den Roten Khmer verhandeln. Am Mittwoch abend wurde in Phnom Penh ein Abgesandter des Prinzen zurückerwartet, der trotzdem im Dschungel mit Khieu Samphan verhandelt haben soll. Doch auf die brennenden Fragen, ob Pol Pot noch lebt und was mit dessen „abtrünnigen“ Funktionären geschehen sei, gab es bis gestern noch keine Antwort. Das Rebellen-Radio meldete gestern, Pol Pot habe sich ergeben.
Die Stimmung in der kambodschanischen Hauptstadt ist explosiv. Auf dem Dach des Stützpunktes von Ranariddhs Leibwache gegenüber seinem Haus wartet ein Hubschrauber, im Hof des Gebäudes sind zwei Schützenpanzer zu sehen. In den Straßen nahe der Residenzen der Regierungspolitiker patrouillieren bis an die Zähne bewaffnete Soldaten und Polizisten.
Unberechenbar sind nicht nur die Politiker, sondern auch die vielen Leibwachen, Milizen und Privatarmeen, die mit ihren Maschinengewehren und Bazookas herumhantieren. Schon Montag wäre es fast zu Kämpfen zwischen Soldaten des Prinzen und der Volkspartei von Premier Hun Sen gekommen, berichtet die Cambodia Daily. Ein Staatssekretär im Innenministerium habe einer Gruppe von Soldaten 40 DM für Zigaretten gegeben und sie so überredet, nach Hause zu gehen.
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