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Häuptlinge und Indianer

Nahziel Planungssicherheit für wenige: Wie sich die Initiative Fördermodell 99 die Zukunft der freien Tanz- und Theaterszene in Berlin vorstellt  ■ Von Michael Mans

Wie eine Vielzahl kleiner Volksstämme, die am Horizont auftauchen, sich für eine Weile ansiedeln und dann weiterziehen, so kommt Zebu Kluth die Berliner freie Theaterszene vor. Die Metapher läßt sich trefflich weiterspinnen – zur Saga von Chief Zebu, dem Leiter des großen Wigwams am Halleschen Ufer, dem das Wunder gelang, die vielen untereinander zerstrittenen Stammeshäuptlinge zum großen Palaver zusammenzubringen. Gemeinsam wollten sie eine Strategie entwikkeln, um mit dem weißen Mann im Abgeordnetenhaus, Kultursenator Radunski, in Verhandlungen zu treten. Mit Glasperlen nämlich, das heißt mit kümmerlichen 1,7 Prozent des Berliner Theateretats, kann sich die freie Szene nicht länger abspeisen lassen.

Initiative Fördermodell 99 – unter diesem Titel wurde seit Anfang des Jahres beraten. 39 regelmäßig arbeitende freie Gruppen und Spielstätten tragen das sechsseitige Memorandum mit, dessen endgültige Form jetzt präsentiert wurde. Es ist eine detaillierte Bestandsaufnahme des finanziellen Bedarfes der Berliner Off-Theaterszene geworden. Daß es dabei nicht um das Wünschenswerte, sondern lediglich um das unbedingt Notwendige gehe, betonte Jochen Sandig als Manager der Tanzkompanie Sasha Waltz & Guests. 250.000 Mark Optionsförderung, der aktuelle Höchstsatz für eine freie Gruppe, reiche einfach nicht, um eine Kompanie von zehn Tänzern aufrechtzuerhalten. „Wir reden ja gar nicht von Sozialversicherung und Weihnachtsgeld“, so Sandig. „Wir reden von 2.000 Mark brutto im Monat.“ Die Folgen der derzeitigen Minimalförderung liegen auf der Hand: Die Besten werden über kurz oder lang abwandern. Sasha Waltz hat kürzlich erst ein Angebot aus Holland abgelehnt. Eine Million Mark jährlich wurden ihr dort geboten. Noch hofft sie, in Berlin weiterarbeiten zu können. Wenn sich aber ihre Lage hier nicht bessert, wird sie die nächste lukrative Chance wohl nicht mehr ausschlagen können.

Da scheint der Ruf nach einer Aufstockung des Etats unvermeidlich. Statt derzeit 8,2 Millionen bräuchte man 17,2 Millionen Mark im Jahr 1999, rechneten die Vertreter der Initiative vor. Vor allem aber täte auch auch eine Umschichtung not, weg von kleinen Beträgen für viele, hin zu langfristiger Planungssicherheit für wenige. So sieht das Fördermodell als größten Einzeletat einen Betrag von vier Millionen Mark jährlich für die „Förderung zur Ensemblebildung“ speziell im Tanzbereich vor. Vier Kompanien sollen dadurch mit je einer Million Mark über vier Jahre hinweg in die Lage versetzt werden, kontinuierlich professionell zu arbeiten.

Im Vorfeld war viel von der Angst der kleinen Gruppen die Rede, bei zunehmender Professionalisierung der Szene gänzlich aus der Förderung zu fallen. Kluth hat auch nie einen Hehl daraus gemacht, daß seiner Ansicht nach im Augenblick zuviel Überflüssiges gefördert wird. Den Kleinen gesteht er vor allem eine satte Erhöhung des Etats für die Förderung von Einzelprojekten zu. Auch seine Lieblingsidee vom Produktionsetat für die Spielstätten, den er auch im eigenen Hause angesetzt sehen will und der sich im Fördermodell mit einer Million Mark nicht unbescheiden ausnimmt, stieß auf Kritik: das war einigen denn doch zuviel Machtfülle.

Trotzdem ist es Kluth mit dem Fördermodell 99 insgesamt gelungen, einen großen Teil der freien Theaterszene Berlins auf sich als Stammesfürsten einzuschwören. Lediglich die zehn Ensembles, die sich unter dem Label Geprüfte Theater zusammengeschlossen haben und auf eine finanzielle Gleichstellung mit den Privattheatern spitzen, wollen eigene Vorschläge erarbeiten. Wer nun damit größeren Erfolg haben wird, steht freilich in den Sternen. Zunächst, so Zebu Kluth, gehe es erst einmal darum, beim Senat ein Bewußtsein dafür zu wecken, daß die Freie Szene tatsächlich zuwenig Geld hat.

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