■ Kambodscha: Verwirrspiele um den Exdiktator Pol Pot: Die Verlockungen der Disco
„Das Problem des verräterischen Pol Pot ist in aller Stille gelöst worden“... „Pol Pot hat sich ergeben“... „Pol Pot gesteht“... Die Erklärungen des geheimen Radiosenders der kambodschanischen Roten Khmer hören sich an, als habe ihr berüchtigter Chef selbst das Drehbuch für seinen letzten Akt geschrieben: Ein angemessenes Ende für einen Politiker, der meist im verborgenen blieb und „Verräter“ und „nutzlose Elemente“ gnadenlos umbringen ließ. Bis jetzt ist noch unklar, wer und was genau hinter den jüngsten und widersprüchlichen Berichten über den brutalen Machtkampf bei den Roten Khmer steht. Sicher ist nur: Immer mehr Soldaten sind Pol Pot in den letzten Monaten weggelaufen, weil sie keinen Sinn mehr in ihrem Kampf sahen. Nach 18 Jahren Guerillakrieg wollen die Älteren endlich in ihre Dörfer zurück und ein normales Leben leben, und die Jüngeren brennen darauf, in die Disco zu gehen.
Mit militärischen Mitteln sind die Ziele der Roten Khmer – Kontrolle des Landes und Kampf gegen die Vietnamesen – nicht zu erreichen. Als politische Organisation könnten sie jedoch überleben: Vorbild ist der ehemalige Außenminister Ieng Sary, der im vergangenen August die Seite wechselte und eine Amnestie erhielt. Er lebt heute völlig unbehelligt an der thailändischen Grenze, macht Geschäfte und arbeitet still daran, bis zu den Wahlen 1998 mit seiner neuen Partei politischen Einfluß zu gewinnen.
Ein großes Hindernis gibt es aber: Pol Pot. Ihn kann die Regierung nicht amnestieren, sein Name ist untrennbar mit den Verbrechen seines Regimes verbunden. Wenn er jedoch tot oder verschwunden wäre? Dann gäbe es kein Internationales Tribunal. Dann würde die Wahrheit über diese Zeit noch tiefer begraben werden. Statt dessen könnten – bis auf ein paar besonders brutale Mörder – die Komplizen Pol Pots auf die Seite der Regierung überwechseln. Premierminister Prinz Norodum Ranariddh erhofft sich davon eine Stärkung im gegenwärtigen Machtkampf mit dem verfeindeten Koalitionspartner. Die Zukunft der Roten Khmer – mit neuem Namen und ohne das „nutzlose Element“ Pol Pot – wäre für die Zukunft gesichert.
Kaum vorstellbar, daß der „Bruder Nummer 1“ lebend in Phnom Penh auftaucht. Am Ende des gegenwärtigen Verwirrspiels wird er entweder in einem anderen Land untertauchen oder als „nutzloses Element“ umgebracht. Jutta Lietsch
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