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Hurra - die Mensa brennt ? Nieder mit der konterrevolutionären braunen Fettsoße!

„Es hat gebrannt“, erzählte mir ein Bremer Kollege vor wenigen Tagen per Telefon in die Redaktion der Abendzeitung nach München, „die Uni-Mensa hat es erwischt.“

An sich ist der Brand einer studentischen Kantine in einer norddeutschen Hansestadt für die lokale Berichterstattung einer Münchener Tageszeitung fast so bedeutet wie ein Radl, das in Peking umgefallen ist. Journalistisch gibt der Brand wenig her im Freistaat südlich des Weißwurst-Äquators, aber biographisch schon, wenn man seine materiellen Grundbedürfnisse (zumindest partiell, dafür regelmäßig) ausgerechnet in jener jetzt abgebrannten Mensa befriedigen mußte.

Wenn es je eine Dialektik zwischen revolutionärer Potenz und Essensqualität gegeben haben sollte, dann ist jedenfalls der Beweis erbracht, daß die Umsturzbemühungen maoistischer und linkssozialistischer Bremer Stundenten objektiv scheitern mußten. Mit dieser Mensa war keine Revolution zu machen. Zumindest ernährte sie die Revolutionäre schlecht, falsch oder gar nicht. Die ungewürzte Rindsroulande, die in einer geradezu konterrevolutionären braunen Fettsoße daherschwamm, wird mir in ewiger Erinnerung bleiben. Auch das verkochte Gemüse und die nicht durchgegarten Pellkartoffeln haben den Kampf gegen die kapitalistische Ausbildung nicht vorangebracht.

Mit der internationlen Solidarität war es ebenfalls nicht gut bestellt. In den Gründungszeiten der Bremer Uni-Mensa (Mitte der 70er Jahre) wurden regelmäßig „Kulinarische Wochen“veranstaltet, in denen ausländische Speisen verabreicht wurden. Die nachhaltigste Erinnerung habe ich an eine Pasta-Aufschichtung, die mit Tomatenketchup und Hackepeter durchsetzt war. Das Ganze hieß „Lasagne Siciliana“und schmeckte ausgesprochen mafios. Auch hat der „Wiener Apfelstrudel“mit der angebrannten Vanillesoße nichts zur Verbrüderung mit der österreichischen Arbeiterklasse beigetragen.

Am wenigstens gestört hat mich die Tatsache, daß täglich immer drei Gerichte auf der Karte standen, von denen eines grundsätzlich nicht existent war. Ob es an Lieferschwierigkeiten oder Druckfehlern auf der Speisekarte lag, weiß ich bis heute nicht. Aber als Anhänger der Planwirtschaft hat man das akzeptiert, denn Plan und Bedürfnisbefriedigung stimmten auch im Sozialismus nie überein. Positiv war die Preisgestaltung, die in den Anfangsjahren unter drei Mark pro Essen lag. Überhaupt war die Erungenschaft einer Mensa zunächst ein einziges Positivum, sozusagen die Reform der Reform univeristät, denn in den ersten vier Jahren nach der Uni-Gründung (1971) gab es überhaupt keine Mensa. Dafür die legendäre Cafeteria in GW 1, die als warme Hauptmahlzeit eine Bockwurst mit Mayonnaise-Kartoffelsalat im Angebot hatte und als Antipasto das Zwiebeln übersäte Hackepeter-Brötchen (wahlweise auch eines mit Scheibletten-Käese).

Mit der Mensa kam die Zeit neuer Agitationsmöglichkeiten. In Ermangelung eines Audimax wurden dort Vollversammlungen abgehalten, bei denen der regierende revisionistische MSB/SHJB-AStA den Essens-Frust der fortschrittlichen studentischen Massen zu spüren bekam und per imperativem Mandat von einem Mißtrauensvotum zum nächsten taumelte.

Auch der spätere SPD-Wissenschaftssenator Horst-Werner Franke erlebte die Wut der Unterdrückten und Beleidigten. Er erhielt während eines Mensa-Auftritts mehrere Eier auf den blauen Anzug serviert.

Unvergeßlich ist mir die kulturelle Avantgarde-Funktion der Uni-Mensa. Die Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre um sich greifende Musikalisierung der politischen Linken (Rock gegen rechts) brachte Deutsch-Rocker wie BAP, Prostest-Klampfer wie Hannes Wader und Friedens-Lyriker wie Herman van Veen in die Kantine – konzertant natürlich. Besonders einprägsam war die damalige Kult-Band „Bots“aus Holland mit Song „Aufstehen“. Das Ritual lief so ab, daß der Sänger im Refrain immer zu irgendeiner konkreten Solidarität aufrief, z.B. „Wer gegen die Atomraketen ist, der soll aufstehen...“1.000 sitzende Zuhörer standen auf, setzten sich bei der nächsten Strophe wieder hin und erhoben sich bei „Wer gegen die politische Unterdrückung in unserem Land ist, der soll aufstehen...“wieder von ihren Mensa-Plätzen. Fünfzehn Minuten lang plus Zugabe.

Vielleicht wäre ja ein richtiger Aufstand wirkungsvoller und nachhaltiger im Kampf gegen Krieg und Unterdrückung gewesen, aber die Revolution hat bekanntlich nicht stattgefunden. Und jetzt ist auch die Mensa abgebrannt. Rache der Geschichte? Ein bißchen traurig bin ich schon. Trotz Rindsroulade und Lasagne Siciliana.

Rudolf Schröck, heute Redakteur Münchener Abendzeitung

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