„Dann schließen wir Bremerhaven“

■ Bremerhavens Baggergut zu stark TBT-verseucht / Verklappungsverbot droht / Bremer Hafenamt untersucht nicht den Schlick eines einzelnen Hafenbeckens nach dem Gift TBT

„Dann schließen wir eben Bremerhaven“, lacht Ernst Rüdiger Staats, Pressesprecher des Häfensenators. Aber seiner Behörde könnte das Lachen bald vergehen: Es verhärtet sich der Verdacht, daß Grenzwerte für das Umweltgift Tributylzinn (TBT) im Bremerhavener Hafenschlick überschritten werden.

TBT soll den Schiffsrumpf glatt ätzen, damit sich keine Algen festsetzen und das Schiff besser gleitet. Daß bestimmte Chemikalien in den hormonellen Haushalt von Menschen und Tieren eingreifen, ist seit längerem in Dänemark und vor allen in den USA bekannt. Das Gift wirkt manipulierend auf den Hormonhaushalt von Lebewesen. Sie werden fortpflanzungsunfähig. Das Bremerhavener Baggergut wird zur Zeit in der Nordsee, im Wurster Arm, verklappt.

Zwischen Behörden und Forschern ist es zu einem Wettrennen gekommen. Die Bezirksregierung Lüneburg hat den Bremer Hafenbehörden zwar noch einmal eine befristete Genehmigung erteilt, Hafenschlick in der Nordsee zu verklappen. Als Auflage forderte sie aber Forschungen darüber, wie das Baggergut auf das Ökosystem Nordsee wirke.

„Bei jedem, der sich behördlich mit Baggergut befaßt, müssen bei TBT die Alarmsignale blinken. Wir haben Hinweise, daß in Bremerhaven die Grenzwerte für TBT überschritten werden“, sagt Patricia Cameron vom Bremer World Wide Fund of Nature (WWF). „Zuerst dachten wir, wir müßten eigene Proben ziehen. Aber dann haben wir in vielen Schubladen alle notwendigen Daten gefunden, die stellen wir jetzt zusammen“, erklärte die Diplom Biologin.

„Die Situation ist deswegen so brisant, weil in Kürze neue Daten über TBT-Vorkommen zu erwarten sind“, erklärt der Chef des Hamburger Institutes Limnomar, Watermann. Limnomar hat den kausalen Zusammenhang zwischen der Wirkung von TBT und pathologischen Veränderungen bei Schnecken und Miesmuscheln nachgewiesen.

Beim Hafenamt in Bremen war nichts darüber zu erfahren, ob und welche Grenzwerte es für Tributylzinn gibt. Es gibt sie. Das Hafenamt Bremerhafen gibt wenigstens TBT-Nachweise im Hafenschlick zu. In Bremen kennt der zuständige Abteilungsleiter TBT- Nachforschungen im Bremer Hafenschlick nicht einmal. „Da muß ich mal unseren Gutachter fragen, ob wir überhaupt danach suchen“, überlegt Kurt Mersmann: „Wir entsorgen ja in der Anlage Seehausen. Bremerhavener Baggergut ist eben so belastet wie unseres. Die können kostengünstig verklappen.“

In der EU Kommission der Oslo-Paris Konferenz sind Richtwerte für TBT festgelegt. Die nationale Umsetzung ist bindend. Helge Bergmann von der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz arbeitet daran. „Wir hängen ein wenig in der Luft. Wir arbeiten an nationalen Richtwerten und selbstverständlich ziehen wir Proben aus der Weser und den einschlägigen Gebieten.“Zur Zeit verfahre man bei der Überlegung, ob verklappt werden darf oder nicht: nach „pi mal Daumen“. Faustregel ist die Konzentration von TBT an der Baggerstelle zehn mal so hoch wie an der Verklappungsstelle, dann sollte nicht verklappt werden. Die EU-Kommission gibt niedrigere Richtwerte an. Als Bergmann auf Nachfrage der taz die aktuellen Meßwerte in der Weser heraussucht, erschrickt er: „Da sollte man sich die Verklappung aber doch überlegen.“

Geschickt verfährt das Bremer Hafenamt. „Seit 1994 ziehen wir keine Schadstoffproben mehr direkt aus dem Hafen, nur noch in der Baggergutablage in Seehausen“, sagt Mersmann, „wir wissen daher nicht, wo was in welcher Konzentration im Hafen liegt“. schuh