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Marzipan statt Nazi-Ehren

■ Klinker-Visonen: Eine Ausstellung    zur Architektur Fritz Högers

Er hat ein Hamburger Wahrzeichen entworfen, blieb aber als Mensch unbekannt. Fritz Höger und das Chile-Haus: Mit dem eigenwilligen Kontorhaus aus Backstein landete der Architekt 1924 einen großen Wurf, der bis heute sein Werk dominiert. Doch weil er später die Nähe zum Nationalsozialismus suchte, wird die offene Auseinandersetzung mit dem einst vielgepriesenen Höger bis heute gern vermieden.

Im Rahmen des zweiten Hamburger Architektur-Sommers widmet sich nun eine Ausstellung dem umstrittenen Baumeister. Das Wenzel-Hablik-Museum in Itzehoe thematisiert zum ersten Mal seit 20 Jahren die Bandbreite von Högers Schaffen und dessen politisch-ästhetische Hintergründe. Die Werkschau will lange gehegte Tabuisierungen aufbrechen und dabei den eigenwilligen Kontrast zwischen Högers Traditionalismus und den modernen Elementen seiner Arbeit zeigen.

Unweigerlich bildet der Komplex „Chile-Haus“den Mittelpunkt der Ausstellung. Selten hat ein Bauwerk eine so symbolbefrachtete Rezeption erfahren: ob in künstlerischer Stilisierung oder literarischer Verklärung, als politisches und wirtschaftliches Symbol, ob als Zigarettenbild, Lesezeichen, Flaschenetikett oder gar aus Marzipan nachgebildet – das einst als steinernes Zeichen für Deutschlands Großmachtstreben interpretierte Chile-Haus dient bis heute als Eye-catcher für Werbung wie Tourismus und gibt sogar das Logo für den Architektursommer ab.

Auch jenseits des „Flaggschiffes aus Stein“– gebaut in einer Zeit, als das deutsche Reich keine Kriegsschiffe besitzen durfte – finden sich in Hamburg Manifestationen von Högers Lieblingsmaterial: Aus Klinkern baute er neben zahlreichen Privathäusern auch das Klöpperhaus in der Mönckebergstraße (heute Kaufhof), den Sprinkenhof oder die Reemtsma-Zigarettenfabrik in Wandsbek.

Andere Bauten – das Rathaus in Wilhelmshaven-Rüstringen, eine Kirche in Berlin-Wilmersdorf und vor allem das futuristische Gebäude für den Hannoverschen Anzeiger – dokumentieren Högers eigenartige Zerrissenheit, die ungewöhnliche Verbindung aus moderner Vision und überkommener Bauweise.

So manches Höger-Werk weist in seiner schroffen Kantigkeit und den stark betonten Horizontal- bzw. Vertikalachsen auf die Ästhetik der Nazis hin. Ab 1933 baute Höger bereitwillig für die NS-Regierung und wäre gern zum Stararchitekten des Dritten Reiches aufgestiegen. Dieser Traum scheiterte an seinem bodenständigen Lieblingsmaterial: Die Nazis wollten für ihre Prachtbauten Marmor statt Klinker, Höger spielte nur eine Nebenrolle. Der 1937 entworfene Plan eines 250 Meter hohen Wolkenkratzers für Hamburg wurde daher nie ausgeführt.

Die Itzehoer Ausstellung verdeutlicht den Weg Fritz Högers vom bahnbrechenden Neuerer zum ideologischen Mitläufer. Den Kontrasten in seinem Leben reihte er mit seinem letzten Werk eine unerwartete Variante an: 1946 entstand in Itzehoe nach Högers Entwürfen das erste in Schleswig-Holstein errichtete Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus.

Kay Dohnke

„Der Architekt Fritz Höger zwischen Hamburg und Holstein“. Wenzel-Hablik-Museum, Itzehoe, Reichenstraße 21 (bis 23.7.1997 Di – Sa 14 – 18 Uhr, So ab 11 Uhr).

Unter gleichem Titel erschien in der Hamburger edition fliehkraft ein Katalog.

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