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Der Zeuge verdrückt sich

Ein kambodschanischer General soll über seine Verhandlungen mit den Roten Khmer berichten. Plötzlich ist er nicht mehr da  ■ Aus Phnom Penh Jutta Lietsch

„Wo ist der General?“ Kambodschas erster Regierungschef Prinz Norodom Ranariddh blickt suchend durch die Reihen der Minister, Abgeordneten und Militärs, die sich in der Zentrale seiner Partei „Funcinpec“ nahe der französischen Botschaft in Phnom Penh versammelt haben. Der Prinz will vor Journalisten über den Stand der Verhandlungen mit den Roten Khmer berichten. Dabei soll General Nhiek Bun Chhay neben ihm sitzen – jener Mann, der kürzlich inmitten der Spekulationen das Schicksal des kambodschanischen Exdiktators erklärte: „Pol Pot lebt. Ich habe ihn gesehen.“

Der stellvertretende Stabschef der Armee hält den Kontakt nach Anlong Veng, dem Hauptquartier der Guerillaorganisation im Norden den Landes. Fast alles, was in den letzten Wochen in Kambodscha über Kämpfe innerhalb des harten Kerns der Roten Khmer bekannt wurde, beruht auf seinen Aussagen: Eine abgespaltene Fraktion, die mit der Regierung über einen Waffenstillstand verhandeln wolle, habe Pol Pot gefangengenommen und werde ihn an die Regierung ausliefern. Der „Bruder Nr. 1“, wie Pol Pot von seinen Genossen genannt wurde, sei am Ende.

Aber in den letzten Tagen sind die Zweifel an den Worten des Generals gewachsen. Der Unterhändler hat immer noch kein Foto Pol Pots vorgelegt, obwohl er in der Zwischenzeit öfter bei den Roten Khmer gewesen sein will. Blufft der Mann womöglich nur? Sind die Kontakte mit den Roten Khmer vielleicht gar nicht so weit gediehen, wie er den Kambodschanern weismachen will?

Selbst sein Chef, Prinz Ranariddh, beklagt sich: „Der General hat mir Bilder von Khieu Samphan präsentiert! Khieu Samphan interessiert mich nicht, ich will Pol Pot sehen.“ Er solle nun endlich Beweise auf den Tisch legen, fordern Journalisten vom Prinzen. Der hat schließlich genug („Immer nur Pol Pot, Pol Pot, ich bin für Sie wohl uninteressant“) und will deshalb seinen General vorschicken. Der aber ist plötzlich verschwunden. „Er soll sofort herkommen!“ befiehlt der Prinz mehrfach. Doch der Gerufene erscheint nicht. Der erste Regierungschef blickt hilflos in die Runde. Zu den wartenden Journalisten gewandt, versucht er die Situation zu überspielen: „Der General ist eben sehr schüchtern.“

Politisches Theater in Phnom Penh: Premierminister Ranariddhs Verhandlungen mit den Roten Khmer stecken offenbar in einer Sackgasse. Wiederholt hatte er in den letzten Tagen angedeutet, ein Abkommen mit dem ehemaligen Präsidenten des Roten- Khmer-Regimes von 1975 bis 79, Khieu Samphan, sei in greifbare Nähe gerückt. Samphan, der seit fast 40 Jahren eng mit Pol Pot zusammengearbeitet und dessen Politik stets absolut loyal unterstützt hat, habe sich von ihm abgewandt und wolle die Waffen niederlegen, behauptete der Regierungschef. Der Prinz versprach Straffreiheit, wenn Khieu Samphan sich von Pol Pot lossage und „Monarchie und Verfassung“ anerkenne. Bis gestern ist der Rote-Khmer-Funktionär allerdings weder über den Untergrundsender seiner Organisation noch – wie angekündigt – bei einer Pressekonferenz auf dieses Angebot eingegangen.

An dem mit Maschinengewehren gesicherten Funcinpec-Gelände rauscht die Autokolonne von Ranariddhs Koregierungschef und heftigem Rivalen Hun Sen vorbei – ebenfalls geschützt von einer Truppe schwerbewaffneter Leibwachen. Auch Hun Sen hatte gerade seinen Auftritt: Er weihte vor den Toren der Stadt eine Reismühle ein und nutzte die Gelegenheit, die Pläne des Prinzen zurechtzustutzen. Straffreiheit für die Spitzenfunktionäre der Roten Khmer komme nicht in Frage. Außerdem glaube er nicht, daß Pol Pot wirklich entmachtet sei. „Er betrügt alle. Aber ich werde mich nicht besiegen lassen.“

Das Verwirrspiel der beiden rivalisierenden Regierungschefs wird angereichert durch immer neue widersprüchliche Meldungen aus dem Gebiet der Roten Khmer. Pol Pot sei gefangen und krank, sagt ein Regierungssoldat. Pol Pot sei auf freiem Fuß und putzmunter, zitiert die thailändische Zeitung Bangkok Post „hochrangige Offiziere der Roten Khmer“. Fest steht: Die Region ist dünn besiedelt und wegen der vielen Minen schwer zugänglich.

In den vergangenen Wochen wollten offenbar mehrere Einheiten auf die Seite der Regierung wechseln, berichtet die kambodschanische Phnom Penh Post. Der Streit in der Regierung habe dies jedoch verhindert. Regierungsoffiziere verhandelten kürzlich mit einem „Persönlichen Sekretär“ Pol Pots namens Mian Sambat, der laut Bangkok Post mit fünfhundert Soldaten überlaufen will. Die Bangkoker Zeitung veröffentlichte sogar Bilder von diesem Gespräch.

General Nhiek, und wo bleiben Ihre Fotos?

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